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Havelwasser (German Edition)

Havelwasser (German Edition)

Titel: Havelwasser (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Wiersch
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dem Schlachtfeld der organisierten Kriminalität tummeln und dass jemand vielleicht die Seite wechseln und uns helfen will. Und …“, sagte Manzetti plötzlich scharf, „… er ist noch nicht fertig. Es wird weitere Tote geben.“
    Kerstin drückte sich wieder ganz dicht an ihn, als sie fragte: „Und dich belastet, dass du die weiteren Morde nicht verhindern kannst?“
    Nach einer weiteren Pause ließ Manzetti die Finger seiner Frau los und antwortete: „Das weiß ich nicht. Ich kann dir nicht einmal sagen, ob die bisherigen Opfer diese Bezeichnung überhaupt verdient haben.“
    Kerstin kannte ihren Andrea sehr lange und gut. Solche Situationen hatte sie schon mit ihm durchlebt und wusste, dass nun niemand mehr an ihn herankam. Auch sie nicht. Er hatte völlig umgeschaltet, war ganz woanders. Er würde tagelang nicht ansprechbar, launisch und mit allem unzufrieden sein, bis es niemand mehr mit ihm aushielt, weil er kaum noch Dinge zulassen würde, die ihn erfreuten.
    Für ihn war es nämlich nicht irgendein Mordfall, irgendein Verbrechen, wie er es schon oft bearbeitet hatte. Hier fühlte er die eigene Bedrohung. Er hatte Angst. Angst um seine Töchter. Er wollte sie nur noch beschützen, und davon würde Andrea Manzetti von keiner Seele abzubringen sein. Die erste, die unter seiner Verbissenheit leiden musste, würde Lara sein. Es war nicht auszuschließen, dass er seinen Töchtern Hausarrest erteilen würde.

    Nach dem leckeren Essen, für das die kleine Grillmeisterin alle Lobesworte einheimste, die der deutsche Duden und das italienische Wörterbuch kannten, wurde die Unruhe in Manzetti zu groß, und er bat darum, noch einmal für eine Stunde wegfahren zu dürfen. Herbert begleitete ihn, aber in den zehn Minuten, die sie bis zur Bäckerstraße benötigten, schwiegen beide. Nur der Diesel des Mercedes schnurrte gleichmäßig.
    Erst beim Aussteigen fragte Herbert: „Was wollen wir hier?“
    Noch während Manzetti antwortete, dass in diesem Haus der Vater von Martin Becker wohnte, drückte er auf die Klingel.
    „Ja bitte.“ Der tiefe Bass klang warm und freundlich.
    „Mein Name ist Manzetti. Ich komme von der Polizei …“
    Dann surrte der Türöffner. In der zweiten Etage stand die Wohnungstür offen. Manzetti trat ein, und Herbert folgte ihm. Schon im Flur empfing sie warme Luft, was sofort das Verlangen auslöste, die Fenster zu öffnen.
    Der erste Eindruck war nicht der, den Manzetti von der Wohnung eines alleinlebenden älteren Mannes erwartet hatte.
    Alles war wie geleckt, kein Staubkorn war zu finden. Hier bekam man wahrscheinlich ein schlechtes Gewissen und fühlte sich ertappt, wenn einmal die Haustür zu laut ins Schloss fiel oder man mit schmutzigen Schuhen hereinkam. Es war die Atmosphäre hochanständigen Kleinbürgertums, die im Vorgarten nach Gartenzwergen verlangte und die im Hausflur von einem Zettel getragen wurde, auf dem diktatorisch aufgelistet stand, was alles verboten war, Luftholen eingeschlossen.
    Herbert folgte ihm, als er langsam und fast andächtig zur Wohnzimmertür ging. Herr Becker saß in einem Sessel und winkte seine Besucher herein. „Sie tun ihm Unrecht.“ Er zeigte auf eine Zeitung, die aufgeschlagen auf dem Tisch lag. „Lehrer verging sich an Kindern“ stand dort in übergroßen Lettern. „Martin war dazu gar nicht fähig“, fügte er hinzu.
    Manzettis Blick richtete sich auf ein Wandbild, das sich bei genauerer Betrachtung als ein riesiges Foto entpuppte. „Ein Gepard“, bemerkte Herbert kurz, der das Bild auch gesehen hatte.
    „Hm“, kam es knurrig von Becker. „Und eine Hyäne.“
    Manzetti erkannte jetzt die Frau, die neben dem Tier saß und offensichtlich sehr vertraut mit der Großkatze schmuste. Vater und Sohn Becker standen in freudiger Pose dahinter.
    „Sie meinen doch nicht Ihre Schwiegertochter?“, fragte er, obwohl es dazu kaum eine Alternative gab.
    „Doch.“ Beckers Bemerkung klang schroff.
    „Darf ich Ihnen einige Fragen zu Ihrem Sohn stellen, Herr Becker?“ Manzetti schlug einen förmlichen Ton an.
    „Wenn Sie nicht für den Quatsch da verantwortlich sind, ja“, sagte er etwas leutseliger und blickte zum ersten Mal zu den beiden auf.
    „Solche Schlagzeilen tun mir leid. Aber ich kann sie nicht verhindern“, entschuldigte sich Manzetti.
    „Schön. Dann setzen Sie sich.“ Es war unschwer zu erkennen, dass der Mann gebrochen war. In einer Stadt mit knapp achtzigtausend Einwohnern war sein Ruf mit solchen Überschriften unheilbar

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