Havelwasser (German Edition)
ruiniert. „Ich biete Ihnen aber nichts an, und es ist mir auch egal, was Sie davon halten.“
„Macht nichts“, sagte Manzetti knapp und setzte sich neben Herbert auf das Sofa. „Was für ein Mensch war Ihr Sohn?“
„Jedenfalls nicht so einer“, schrie Becker und funkelte mit hasserfüllten Augen zur Couch.
Manzetti richtete seinen Oberkörper wie in Kampfeshaltung auf, wurde aber von seinem Patenonkel wieder sanft gegen die Lehne gedrückt. „Das glaube ich Ihnen gerne und deshalb schlage ich vor, dass Sie uns helfen“, sprach Herbert dann in leisem und warmem Tonfall.
„Wobei?“, fragte Becker und setzte mit starrem Blick nach einer kurzen Pause fort. „Meine Frau ist vor fast vier Jahren gestorben, und ich beneide sie darum. Gott hat gewollt, dass sie das alles nicht mehr erleben muss, und er hat gut daran getan.“
„Und Ihr Sohn? Was war er, wenn das da falsch ist?“ Manzetti nickte zum Tisch, auf dem noch immer die Zeitung lag.
„Er war ein guter Junge“, antwortete er mit den Worten eines liebenden Vaters. „Er war ein guter Lehrer und er hatte Talent.“
„Worin?“, fragte Herbert und sah überzeugend neugierig aus.
Becker stand auf und ging zu einer Vitrine. Er reichte Herbert Jahn eine kleine Figur. Es war eine trabende Antilope. „Es ist ein Oryx. Mein Lieblingstier. Er hat es mir zu meinem siebzigsten Geburtstag geschenkt.“
„Es ist eine schöne Arbeit. Ihr Sohn hatte wirklich Talent“, lobte Herbert und drehte die Figur hin und her.
„Er hat sie aus Elfenbein geschnitzt“, sagte Becker, und seine böse Laune war verflogen. Dann griff er in eine Schublade und entnahm ihr einen Stapel Fotos. Schon auf dem ersten Bild erkannte Manzetti einen braungebrannten Martin Becker in Khakiuniform, der in Großwildjägerpose auf dem Kopf eines abgeschossenen Elefanten saß. Die Flinte hatte er dabei lässig auf die Hüfte gestützt.
„Ihr Sohn war Jäger?“
„Nein. Aber immer wenn ich ihn in Namibia besuchte, ging er mit mir zur Jagd. Er wollte mir eine Freude machen.“
„Ist das denn erlaubt?“
„In Namibia nicht, aber in Botswana. Jedenfalls fuhr er mit mir dorthin.“
„Das war bestimmt keine billige Unternehmung“, fragte Herbert jetzt.
„Mein Sohn war großzügig. Er machte sich nichts aus Geld.“
„Und er war vermögend. Wussten Sie davon?“
„Ja“, antwortete er und setzte sich wieder in den Sessel. „Wollen Sie vielleicht doch etwas trinken? Es ist sehr heiß hier drin. Ich habe ei nen ausgezeichneten Weißwein. Für mich allein lohnt es ja nicht, die Flasche zu öffnen.“ Seine Augen spiegelten seine Warmherzigkeit, und er entschuldigte damit sein anfänglich schroffes Verhalten.
„Danke, nein“, sagte Manzetti nun selbst stur, doch Herbert Jahn stimmte gerne zu. Als Becker ein volles Glas vor Herbert abstellte und die Flasche Pinot Grigio daneben, bereute Manzetti seinen Entschluss sofort.
„Woher hatte Ihr Sohn so viel Geld?“, fragte Herbert, als er den ersten Schluck genommen und mit der Zunge über seine Oberlippe geleckt hatte. „Der ist übrigens ausgezeichnet.“
Becker lächelte und prostete Herbert zu. „Er hat es geerbt. Eigentlich wollte meine Schwester ihr Vermögen an mich weitergeben. Ich habe sie davon überzeugt, dass sie Martin als Erben einsetzt. Was soll ich denn noch mit fast einer Million Euro?“
„Das ginge mir auch so. Aber die Kinder und Enkel können es noch gebrauchen, oder?“ Herbert hatte Becker jetzt völlig eingewickelt. Manzetti staunte nicht schlecht.
„Ja, ja“, murmelte Becker fast lautlos. „Und Martin ganz besonders.“
„Er hatte doch hoffentlich keine Schulden?“, sinnierte Herbert weiter und gefiel sich in seiner Psychologenrolle.
„Das nicht. Aber seine Frau hat ihm alles abgenommen.“
„Deshalb Hyäne, aha. Wofür hat sie das Geld denn gebraucht?“
„Sie ist verrückt. Sie buttert alles in irgendwelche Tierprojekte. Jeden Cent. Mein Junge hat sie geliebt und ihr deshalb immer wieder Geld gegeben.“
„Wenn sie viel Geld für Tiere ausgibt, war sie von Ihren Großwildjagden bestimmt nicht begeistert?“
„Begeistert? Sie verfolgt jeden Jäger. Die Frau ist besessen.“
„Haben Sie noch Kontakt zu ihr?“ Damit war Manzetti wieder mit von der Partie.
„Nachdem Martin wieder nach Deutschland gekommen ist, nicht mehr. Ich habe ihr das nie verziehen.“
„Was?“
„Martin wollte mit dem Geld im Rücken aussteigen. Er wollte in Namibia bleiben und sich dort als Bildhauer
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