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Havelwasser (German Edition)

Havelwasser (German Edition)

Titel: Havelwasser (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Wiersch
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Stimme hörte man jedes Körnchen Aufregung an.
    „Was gibt es denn? Ich wollte gerade gehen“, sagte Manzetti, ohne den Versuch zu machen, Köppen zu beruhigen.
    „Becker. Verena Becker. Sie ist tot.“
    „Was?“, schrie Manzetti entsetzt.
    „Frau Becker. Sie ist tot. Man hat sie im Tierpark Berlin gefunden. Im Eisbärengehege.“

24
    Köppen stand weiter regungslos in der Tür, rieb sich mit dem Nagel des Zeigefingers die Haut vom Daumen und machte einen deprimierten Eindruck, gerade so, als wäre von seiner Nachricht ein naher Verwandter betroffen. Für ein paar Augenblicke versagte wohl auch seine Sprache, denn selbst der fordernde Blick Manzettis entlockte ihm keine Silbe.
    Endlich fand er sich aber wieder und sagte: „Die Kollegen aus Berlin haben vor ein paar Minuten angerufen. Sie hatten von den Morden in Brandenburg gehört, und jemand hat dann eins und eins …“ Köppen stockte kurz und korrigierte sich. „… er kombinierte wohl, dass es einen Zusammenhang geben könnte.“
    „Was haben die vorgeschlagen?“, wollte Manzetti wissen.
    „Wer?“, fragte Köppen, der offensichtlich die Gedankengänge seines Vorgesetzten nicht verstand.
    „Na, die Kollegen aus Berlin“, half Manzetti deshalb nach.
    „Ach ja. Sie sind noch bei der Spurensicherung und fragen, ob wir den Tatort sehen möchten. Sie würden bis zu unserem Eintreffen ihre Arbeit unterbrechen.“
    Und hoffen, dass wir den Fall übernehmen, spann Manzetti den Faden gedanklich weiter. „Gut“, sagte er mit Blick auf die Uhr auf dem Schreibtisch und folgte den Reflexionen der Sonnenstrahlen, die durch das Pendel ständig in eine andere Ecke des Raumes geworfen wurden. „Rufen Sie dort an und teilen ihnen mit, dass wir in einer Stunde da sind. Anschließend besorgen Sie ein Auto und warten unten auf mich.“
    „Sonst noch was?“, fragte Köppen, während er schon auf den Flur trat.
    „Nein, danke“, antwortete Manzetti und griff zum Telefon.
    „Bremer“, knurrte es nach kurzem Klingeln durch die Leitung.
    „Manzetti hier. Dottore, wie sind Sie drauf?“
    „Warum?“, kam es kurz und nicht viel freundlicher durch den Hörer.
    „Ich brauche Sie. Dringend.“
    „Wie dringend?“, fragte der Rechtsmediziner, und Manzetti wertete das als minimalen Versuch, sich aus dem Einsatz zu winden.
    „Sehr, mein Lieber, sehr. Wir haben eine weitere Leiche.“
    „Wo?“
    „In Berlin.“
    „Manzetti, verfallen Sie jetzt in Sensationstourismus oder wollen Sie die ganze Welt retten?“ Bremer hob beim Sprechen die Stimme, um der Humoreske mehr Gewicht zu verleihen. „Berlin ist nicht nur die Hauptstadt, Berlin ist auch ein anderes Bundesland. Da sind wir nicht zuständig.“
    „Vielleicht doch“, verteidigte Manzetti sein Begehren. „Die Tote ist Frau Becker, und sie wurde im Eisbärengehege gefunden.“
    „Oh, Mann“, sagte Bremer. Dann trat eine Pause ein. Keiner der beiden mochte in diesem Moment sprechen. Bremer war es, der die andächtige Stille schließlich durchbrach. „Holen Sie mich in zehn Minuten zu Hause ab. Robert-Koch-Straße. Ich werde unten stehen.“
    Einen Augenblick später stürmte Manzetti durchs Treppenhaus dem Ausgang entgegen. Ihn plagten fürchterliche Gewissensbisse. Hätte er den Tod der Tierärztin verhindern können? Würde sie noch leben, wenn er wie verabredet heute Vormittag bei ihr erschienen wäre?
    Er fühlte sich hundeelend. All die Mosaiksteinchen, die er bislang gesammelt hatte und aus denen er schon ein fast fertiges Bild gelegt hatte, mussten nun doch anders zusammengefügt werden. Und es fehlten ihm offensichtlich noch ein paar Steinchen. Die, die ihm den Mörder zeigen würden – denn Verena Becker war wohl kaum die Täterin.
    Vielleicht musste er in eine völlig neue Richtung denken. Manzetti stand lange genug im Dienst der Polizei, um auch den Wandel der Kriminalität erlebt zu haben. Hatten sie hier in der Provinz noch vor zehn Jahren kleine Drogenhändler oder auch mal den einen oder anderen Ehemann gejagt, der angetrunken auf seine Frau eingestochen hatte, so sahen sie sich heute einem viel mächtigeren Gegner gegenüber, nämlich dem undurchdringlichen Gestrüpp der organisierten Kriminalität.
    „Köppen“, rief er, unten angekommen, zu dem Zimmer herüber, in dem der Dauerdienst saß. Seine Schritte hallten über den menschenleeren Flur und klangen bedrohlich. Trotzdem steckte jemand den Kopf aus der Tür und schaute dem heranpreschenden Hauptkommissar entgegen.
    „Wolter, sind Sie

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