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Havelwasser (German Edition)

Havelwasser (German Edition)

Titel: Havelwasser (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Wiersch
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Manzetti stieß ihm die rechte Hand in den Rücken.
    „Für Sie, mein lieber Commissario“, sagte Bremer vollkommen ruhig, „oder glauben Sie wirklich, dass Sie gleich etwas zu sehen bekommen, was Sie so einfach wegstecken können?“ Dann fragte er Lorenz: „Die Bären waren doch mit der Toten zusammen im Gehege, oder?“
    Lorenz nickte und verzog das Gesicht. Es war klar, dass er bereits hinter den Stein geschaut hatte. Also nahm Manzetti Bremer die Metallflasche ab und trank. Dann reichte er sie an Köppen weiter.
    „Muss ich wirklich mitkommen?“
    Manzetti überlegte kurz und hatte dann Mitleid mit dem jungen Kollegen. „Nein, müssen Sie nicht.“ Und er hörte Köppen erleichtert aufatmen.
    Bremer drückte die Schlösser des Koffers wieder zu; die Flasche wanderte in die Hosentasche. Er ging auf den Stein zu, machte aber noch keine Anstalten, dahinter zu treten. Manzetti hielt sich direkt hinter ihm, gefolgt von Lorenz.
    „Woher wissen Sie, dass es sich um Frau Becker handelt?“ Bremer richtete die Frage an Lorenz.
    „Wir haben Teile einer zerfetzten Jacke gefunden, in deren Innentasche ihr Tierparkausweis steckte. Ansonsten deuten die rötlichen Haare auf ihre Identität. Aber schauen Sie selbst. Sie können mich rufen, wenn Sie noch etwas brauchen.“ Dann bezog Lorenz Posten an der Stelle, wo er gerade stand. Er verspürte keine große Lust, ein zweites Mal hinter den Stein zu schauen, was seine ganze Körpersprache deutlich zum Ausdruck brachte.
    Nach drei weiteren Schritten tauchten Bremer und Manzetti in den Schatten des Findlings. Was sie sahen, machte sofort das Widerstreben des Berliner Kollegen verständlich. Der rötliche Haarschopf von Verena Becker verschmolz ansatzlos mit dem roten, hautlosen Vorderschädel. Das ehemals hübsche Gesicht wirkte ohne Nase und mit nur einigen Fleischfetzen wie das eines Zombies. Unterhalb des Kinns gab es nur noch eine Halshälfte. Und das war auch schon fast alles, was von dem Körper übrig geblieben war, ein Unterschenkel und einige kleinere Stücke lagen zwei Meter weiter links.
    Manzettis aufkeimendes Unwohlsein zwang ihn zum Rückzug, den er erst bei Lorenz stoppte. Der besaß genug Taktgefühl und ließ eine gewisse Zeit verstreichen, bis er ihn ansprach.
    „Der für die Eisbären verantwortliche Pfleger hat gestern gegen zwanzig Uhr die Tiere in ihre Käfige gesperrt und das Außengelände gereinigt. Da war noch alles in Ordnung. Als er aber heute früh die Bären nach draußen ließ, verschwand ein Weibchen gleich hinter dem großen Findling und verteidigte den Platz gegen ihre Artgenossen. Sie lugte immer mal wieder hervor und kaute dabei mit blutiger Schnauze.“
    „Okay“, unterbrach Manzetti den Horrorbericht. „Was hatte Frau Becker hier im Tierpark zu suchen?“
    „Bitte?“, fragte Lorenz verdutzt. „Sie war die Tierärztin und fest angestellt.“
    „Das meine ich nicht. Was wollte sie hier am Abend? Auch eine Tierärztin hat doch mal Feierabend.“
    „Ach so. Sie war für die Nachtwache im Dickhäuterhaus eingeteilt. Dort wartet man auf die Geburt eines Panzernashorns. Aber da ist sie nie angekommen.“
    „Sonst noch etwas von Bedeutung?“, wollte Manzetti noch wissen, bevor er wieder zu Bremer musste.
    „Nur, dass sie sich in ihrer Praxis offensichtlich umgezogen hatte. Dort hängen nämlich ihre Sachen. Dann hat sie sich wohl verabredungsgemäß auf den Weg zu den Nashörnern gemacht, ist dort aber, wie gesagt, nie angekommen. Gut möglich also, dass sie schon seit gestern Abend im Eisbärgehege gelegen hat. Da dürfte sie bereits tot gewesen sein, sonst hätte sie sich ja befreien können. Die Eisbärin wird sie jedenfalls nicht erst heute Morgen getötet haben, das hätte der Pfleger mitbekommen. Wir gehen von einem Mord aus, das Gehege ist derart gut gesichert, da kann man nicht versehentlich hineinfallen.“
    Manzetti bedankte sich und ging zu dem Stein zurück. Er überlegte, was als Nächstes zu tun war. Zuerst musste er entscheiden, ob seine Direktion den Fall überhaupt übernehmen konnte. Dazu und um die Abwehr Claasens zu überwinden, brauchte er hieb- und stichfeste Beweise, die einen Zusammenhang mit den Morden an Weinrich und Martin Becker zuließen. Manzetti dachte an griechische Euromünzen oder englische Schuhe.
    Bremer hockte in seiner typischen Haltung neben der Leiche, genauer, neben dem Kopf der Toten.
    „Und?“, fragte Manzetti.
    „Sie wollen nicht schon wieder den Todeszeitpunkt?“, sagte Bremer und

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