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Havelwasser (German Edition)

Havelwasser (German Edition)

Titel: Havelwasser (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Wiersch
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blinzelte in die Sonne.
    „Nein. Davon sind Sie heute befreit.“
    „Gestern, zweiundzwanzig Uhr“, kam es von Bremer, dem wohl kein Leichenzustand mehr etwas anhaben konnte, denn er begleitete seine Aussage mit einem schelmischen Lachen.
    „Woher wissen Sie das denn?“ Manzetti überwand jeden Ekel und blickte noch einmal auf den Frauenkopf.
    „Hier“, sagte Bremer und gab ihm einen Pieper, wie man ihn aus den Brusttaschen von Ärzten im Krankenhaus kannte.
    „Gegen halb zehn hat sie einen Ruf quittiert, ein weiterer traf gegen halb elf ein, den hat sie aber nicht mehr angenommen. Ich habe mich für die Mitte entschieden.“
    Manzetti war erleichtert, stand doch damit fest, dass sie zu seinem für heute Vormittag verabredeten Besuch bereits tot war. „Wo lag der Pieper denn?“
    „In der Tasche dieser Jacke. Ich meine das Ding, das sie irgendwann gestern Abend als Jacke angezogen hat und das jetzt nicht mal mehr als Lappen zu gebrauchen ist.“
    Manzetti lehnte sich gegen den Findling. „Man kann nur hoffen, dass sie wirklich schon tot war, als die Bärin sie packte.“
    „War sie mit Sicherheit“, beruhigte Bremer. „Hier“, er wies auf eine Stelle am halben Hals. „Ein Schnitt. Sauber und sehr tief. Ich kann es zwar nicht absolut sagen, aber er ähnelt den beiden anderen. Außerdem …“ Bremer stoppte und wühlte in seinem Koffer. Mit einer Pinzette fuhr er anschließend in das Loch, über dem sich früher einmal die Nase befunden haben musste, und zog ein blutdurchtränktes Mullstückchen heraus. „Die Wasserfrage, Manzetti.“
    Jetzt hatte er das, was er nach seiner Überzeugung brauchte. Er lief zu Lorenz zurück und erklärte ihm, dass er gewillt war, den Fall zu übernehmen.
    „Können Sie Ihre Spurensicherung hierlassen?“
    „Klar“, stimmte Lorenz zu und pfiff schrill durch die Zähne. „Ich bleibe auch hier, falls noch mal ein Problem auftauchen sollte“, bot er zusätzlich an.
    „Danke“, sagte Manzetti. „Haben wir irgendwelche Zeugen?“
    „Nein. Gestern Abend hat sie niemand mehr gesehen.“
    „Dottore?“ Bremer tauchte neben ihm auf. „Hier kann ich nichts mehr machen“, sagte er und trank den letzten Schluck aus seiner glänzenden Flasche.
    „Gut, fahren wir zurück.“ Manzetti winkte Köppen herbei, und sie gingen den gleichen Weg, den sie gekommen waren.
    Den Ausgang schon vor sich, blieb Manzetti neben einem Schild vor der Wisentanlage stehen. Er las laut vor: „Dieses urwüchsige Wildrind bewohnte einst Wälder Mittel- und Osteuropas. Durch Rodung der Wälder und starken Abschuss wurde der Wisent Anfang des 20. Jahrhunderts in der Natur ausgerottet. In Zoos und Gattern überlebten sechsundfünfzig.“ Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: „Warum machen Menschen so etwas?“
    „Weil sie auch so etwas tun“, antwortete Bremer und zeigte in Richtung Eisbärgehege.
    Sie gingen nacheinander durch das Drehkreuz, und Manzetti blickte noch einmal zu den fast ausgestorbenen Wisenten. Lara, auf ihrem derzeitigen Umwelttrip, würde sich mit keiner Antwort auf diese Frage abspeisen lassen. Sie würde auch ihm die Schuld dafür geben. Stellvertretend für alle Erwachsenen. Würde sie auch einmal so militant, wie es Verena Becker war?

25
    Sie wählten den Weg über das Adlergestell, und während sich das Auto durch den dichten Verkehr schob, überlegte Manzetti, wie er nun weitermachen sollte. Wo hatte er anzusetzen? Wie weit musste er zurückgehen, um neue Ansätze zu finden? Bis Brandenburg grübelte er ohne richtiges Ergebnis.
    In der Direktion ließ er sich vom Dauerdienst berichten. Die Ermittlungsarbeit zu den Schuhen war ganz einfach gewesen, selbst Wolters Fähigkeiten hatten dafür ausgereicht. Der Inhaber des dritten Schuhgeschäfts konnte sich an die Schuhe und an die Frau erinnern, die danach gefragt hatte. Er hatte ihnen erklärt, dass man diese nur im Internet oder direkt beim Hersteller in England kaufen konnte.
    „Dort haben wir angerufen. Wir hatten Glück, wir haben in dem Unternehmen jemanden erreicht und erfahren, dass eine Lieferung von vier Paar an den Tierpark Berlin gegangen ist. Direkt an die Tierarztstation“, erzählte der Kriminalist stolz.
    Mist, dachte Manzetti. Noch am Vormittag hätte er Stein und Bein geschworen, dass Verena Becker die Mörderin war oder zumindest in zweiter Reihe direkt damit zu tun hatte. Nun aber hatte er nichts mehr. Auch keine Lust, für Claasen einen Bericht zu schreiben. Damit konnte er bis Montag warten,

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