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Havelwasser (German Edition)

Havelwasser (German Edition)

Titel: Havelwasser (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Wiersch
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keine Zeit mehr.
    „Der Mann war Spezialist für Bewässerungssysteme, und sowohl die Menschen in Angola als auch im Wüstenland Namibia vergötterten ihn, und das hielt bis zu seinem Tod, nur weil er vom Kunenefluss Kanäle ins Landesinnere baute. Ja, und so lebten sie anfangs in Angola und ab 1990 dann in Namibia.“
    „Und?“
    „Und ihr Vater bekam eine Farm geschenkt, auf der sie ihre Tierarztpraxis einrichtete. Das machte schnell Schule, und diverse Tierschutzprojekte siedelten sich in ihrer Nähe an oder baten um Unterstützung. Hauptsächlich solche, die sich dem Schutz von Leoparden und Geparden verschrieben hatten.“
    „Warum muss man solche schönen Tiere schützen? Warum jagt sie jemand, bis es kaum noch welche gibt?“ Seine Frage war eine rhetorische, er erinnerte sich an das große Bild in Beckers Wohnung.
    „Ja, haben Sie sich diese wunderschönen Tiere mal angeschaut? Es gibt Pelze, die machen jeden Jäger stolz, das kann ich Ihnen versichern … Aber kommen wir zu Ihrer Frage zurück. Ihr Vater unterstützte Verena bei der Arbeit, und dann kam die Nacht, in der sie Großwildjäger verfolgt haben, die mit einem namibischen Farmer Elefanten jagen wollten. Das ist in Namibia streng verboten. Wenn Sie dabei erwischt werden, drohen Ihnen zwanzig Jahre Gefängnis.“
    „Und das ist in Afrika alles andere als angenehm“, kommentierte Manzetti, als hätte er damit reichlich Erfahrung.
    „Richtig. Und deshalb gehen diese Leute äußerst brutal vor. Lieber schießen sie auf Tierschützer, als dass sie sich vor Gericht stellen lassen.“
    „Und sie schossen auf Ihre Schwiegertochter?“, fragte Manzetti.
    „Nein. Sie schossen auf ihren Vater, der drei Tage später in einem Buschkrankenhaus starb.“
    Manzetti ließ den Satz so stehen. Ihm war jetzt alles klar. Er erinnerte sich an das, was ihm Jochen Kern erzählt hatte, und auch an die Aussage von Pater Johannes und fragte sich automatisch, wie militant diese zierliche Frau in Afrika zu Werke gegangen war. Und jetzt? Hatte sie vielleicht die Rollen getauscht und befand sich nun selbst auf Großwildjagd? Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Extremist, und dafür hielt er Verena Becker, die Legitimation seines Handelns in der Rechtmäßigkeit des Grundanliegens suchte. Dabei spielte bekanntermaßen die Wahl der Mittel eine nur untergeordnete Rolle, und selbst Tötungen von Gegnern wurden lapidar als Notwehrexzess abgetan.
    Er ließ Sonja die Befragung weiterführen und rief Köppen zu sich. Er sollte ihn zu einem Sportplatz fahren, wo der Hubschrauber landen würde.
    „Stopp“, schrie er plötzlich, als Köppen den Wagen über den Nicolaiplatz steuerte. „Erst zum Salzhofufer.“
    „Sicher?“, fragte Köppen. Er konnte sich nicht vorstellen, dass dort ein Hubschrauber landen würde.
    „Machen Sie schon“, kommandierte Manzetti und riss am Salzhofufer die Tür auf. Er rannte an Bänken vorbei und sprintete bis hinter einen Busch. Die zwei Männer dort erschraken und wurden kreideweiß.
    „Mitkommen“, befahl Manzetti und zog einen der Kerle am Revers hinter sich her.
    Erst im Auto kam der Mann zu sich und stierte Manzetti mit angsterfüllten Augen an. „Wat soll’n dit?“, fragte er und strich sich durch seinen zerzausten Bart. „Wat hab ick denn gemacht, Herr Kommissar.“
    „Ich brauche deine Hilfe“, antwortet Manzetti, und der Stadtpenner beruhigte sich. Sogar ein bisschen Stolz stand ihm ins Gesicht geschrieben, als Manzetti mit ihm auf den Hubschrauber zuging. Bevor sie abhoben, setzte Manzetti ihm die Kopfhörer auf und bedeutete ihm, dass er einen Knopf drücken müsse, falls er sprechen wolle.
    „Wat soll ick Sie denn helfen?“
    „Wir fliegen jetzt über den Breitlingsee, und du suchst alle Bayliner. Okay?“
    „Klar doch“, sagte der Bärtige und sah aus dem Fenster.
    „Und Sie gehen schön tief runter“, forderte Manzetti den Piloten auf.
    Nach zwanzig Minuten hatten sie das fragliche Boot in einem Schilfgürtel gesichtet. Nach weiteren zwanzig Minuten stürmte das SEK das Boot und nahm Verena Becker fest.
    Sie hatte den Bayliner als die Hölle benutzt, die sie ihren Feinden bereiten wollte, und die Morde dort begangen. Die Leichen hatte sie dann auf dem Wasserweg dorthin transportiert, wo sie sie abgelegt und drapiert hatte. Selbst eine Dose mit griechischen Euromünzen fand man an Bord.
    Bei ihrer Festnahme war sie sehr ruhig. Sie leistete keinen Widerstand. Warum auch? Manzetti kam zu spät. In der Kajüte lag

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