Havenhurst - Haus meiner Ahnen
darüber, daß er bei den Verhandlungen mit einem so unglaublich geschickten Mann, wie Thornton es angeblich war, als Sieger hervorgegangen war.
„Ich glaube, jetzt wäre es angezeigt, daß du mich vorstellst, Elizabeth“, sagte er, als sie den Salon betraten. Elizabeth gehorchte ganz automatisch, erkannte aber, daß ihr Onkel offenkundig Zeit gewinnen wollte, um das, was er mitzuteilen hatte, sorgfältig zu formulieren. Ihre bösen Vorahnungen wurden immer bedrückender.
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Auf dem Weg zu Elizabeths Haus fuhr Ian am Park vorbei, doch er beachtete weder die Anlagen noch die Spaziergänger, weil er mit den Gedanken bei den Erklärungen war, die er Elizabeth würde geben müssen.
Auf gar keinen Fall durfte sie glauben, er wollte sie nur aus Mitleid oder aus seinen Schuldgefühlen heraus heiraten. Elizabeth war nicht nur schön, sondern auch stolz, und dieser Stolz könnte sie veranlassen, gegen die Verlobung Einspruch zu erheben. Daß diese Verlobung bereits eine feststehende Tatsache war, würde ihr erst recht nicht gefallen, und das konnte er ihr nicht verübeln. Vor zwei Jahren war Elizabeth schließlich die begehrteste Schönheit gewesen, die die Londoner Szene je betreten hatte, und sie besaß ein Recht darauf, angemessen umworben zu werden, wobei sie sich dann zweifellos für das erlittene Ungemach würde rächen wollen, indem sie vorgab, ihn nicht zu wollen.
Aber er liebte sie, und wenn er ehrlich war, mußte er zugeben, daß er sie bereits seit ihrem Auftritt in jenem Spielsalon vor zwei Jahren liebte. Elizabeth liebte ihn auch. Eine andere Erklärung gab es weder für das damalige Wochenende noch für die drei Tage des Beieinanderseins in Schottland.
Die Häuser der Promenade Street waren von kunstvollen weißen schmiedeeisernen Zäunen umgeben. Die Gebäude selbst waren nicht so imposant wie die großen Stadthäuser an der Upper Brook Street, dennoch war die Straße hübsch, und die modisch eleganten Damen am Arm tadellos gekleideter Herren waren es ebenfalls.
Als der Kutscher vor dem Cameron-Haus anhielt, bemerkte Ian die beiden bereits davor stehenden Wagen; die Mietdroschke beachtete er nicht weiter. Er ging die Eingangsstufen hinauf und bereitete sich in Gedanken auf die Wiederbegegnung mit Elizabeths unverschämtem Butler vor, als er zu seiner Verblüffung Duncan seinen Namen rufen hörte.
„Ich bin heute morgen eingetroffen“, erklärte der Vikar. „Dein Butler sagte mir, du seist hier. Ich dachte... ich fragte mich, wie die Dinge wohl vorangekommen sind.“
„Und da mein Butler das nicht wußte, hast du beschlossen, Elizabeth deine Aufwartung zu machen und zu versuchen, es von ihr zu erfahren“, stellte Ian amüsiert fest.
„So ungefähr“, bestätigte der Vikar gelassen. „Ich denke doch, sie betrachtet mich als einen Freund, und da meinte ich, ich sollte vielleicht ein gutes Wort für dich einlegen.“ „Nur eines?“
„Angesichts deines Verhaltens ihr gegenüber hatte ich Mühe, mir wenigstens eines einfallen zu lassen. Wie ist deine Begegnung mit deinem Großvater ausgegangen?“
„Ganz gut. Er befindet sich hier in London.“
„Und?“
„Und jetzt darfst du mich mit Mylord anreden“, antwortete Ian spöttisch.
„Ich bin hergekommen, um dich mit Bräutigam anzureden“, sagte der Vikar unbeeindruckt.
„Du gibst nicht auf, was?“ Ian war gereizt. „Ich habe mein Leben bis jetzt selbst ganz gut in die Hand genommen, und ich denke, das kann ich auch weiterhin allein schaffen.“ „Du hast selbstverständlich recht.“ Duncan besaß den Anstand, zumindest ein wenig verschämt dreinzublicken. „Soll ich jetzt wieder gehen?“
Widerstrebend schüttelte Ian den Kopf. „Da du nun schon einmal hier bist, kannst du uns bei dem Butler anmelden. Ich selbst komme an dem Mann nicht vorbei.“
Duncan hob den Türklopfer und blickte Ian spöttisch an. „Du kommst nicht einmal an einem Butler vorbei und meinst, du kannst auf meine Hilfe verzichten?“
Ian schwieg vorsichtshalber. Gleich darauf öffnete sich die Haustür. Der Butler hörte Duncan höflich zu, während dieser seinen Namen nannte, blickte dann zu Ian hinüber, und im nächsten Augenblick flog die Tür dem entsetzten Vikar beinahe gegen die Nase — beinahe nur, denn im letzten Moment warf Ian sich mit der Schulter dagegen, worauf die Tür zurückprallte und den Butler unsanft in die Halle beförderte.
„Melden Sie mich Ihrer Herrin!“ befahl Ian mit gefährlich leiser Stimme. „Oder ich sage es ihr
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