Havenhurst - Haus meiner Ahnen
selbst.“
Trotz seiner maßlosen Wut bedachte Bentner die Größe und die kräftige Gestalt des Gastes und ging dann zu einem Raum voraus, in dem gedämpfte Stimmen zu hören waren.
Die im Salon Anwesenden reagierten sehr unterschiedlich auf Bentners Mitteilung, Ian Thornton sei hier und habe sich den Zutritt zum Haus erzwungen.
Die Dowager Duchess war fasziniert, Julius Cameron war sowohl erleichtert als auch bestürzt, Alexandra zeigte Argwohn, und Elizabeth, die noch immer nicht den Grund des Besuches ihres Onkels erfahren hatte, wirkte leicht verwirrt. Allein Lucinda zeigte überhaupt keine Regung. Sie legte nur ihre Nadelarbeit aus der Hand und blickte aufmerksam zur Tür.
Elizabeth war maßlos verblüfft, als sie Duncan an Ians Seite hereinkommen sah. Noch verblüffter war sie, als Ian die anderen Anwesenden keines Blickes würdigte, sondern direkt auf sie, Elizabeth, zutrat und sie fragend anschaute.
„Ich hoffe, Sie haben sich von den Unannehmlichkeiten der vergangenen Nacht erholt?“ fragte er sehr sanft, nahm ihre Hand und hob sich ihre Fingerspitzen an die Lippen.
Elizabeth fand ihn geradezu atemberaubend schön in dem seine breiten Schultern betonenden Gehrock und der Weste aus rostrotem Feintuch. Die sandbraune Hose schmiegte sich an seine langen Beine, und das cremefarbene Seidenhemd brachte seine gebräunte Gesichtshaut zur Geltung.
„Danke, ja, sehr gut“, antwortete Elizabeth und versuchte, das warme Kribbeln in ihrem Arm nicht zur Kenntnis zu nehmen, während Ian ihre Hand über Gebühr lange festhielt und dann auch nur widerstrebend losließ, damit nun die Vorstellungsformalitäten vonstatten gehen konnten.
Jedermann im Salon zeigte sich gleichermaßen erstaunt, als Elizabeth den Vikar als Ians Onkel vorstellte. Die Herzoginwitwe warf Ian einen giftigen Blick zu, während Duncan sich höflich über ihre Hand beugte. „Habe ich richtig verstanden, Kensington“, fragte sie, „daß Sie mit einem Geistlichen verwandt sind?“
Ian beantwortete dies mit einer spöttischen Verneigung, und Duncan, der um die gute Stimmung besorgt war, versuchte es mit einem Scherz. „Ja, diese Neuigkeit hat immer eine eigenartige Wirkung auf die Menschen“, sagte er.
„Man braucht nicht lange nach einem Grund dafür zu suchen“, erwiderte die Herzoginwitwe gallig.
Ian wollte dem alten Drachen schon den Kopf zurechtsetzen, aber er ließ es bleiben; Julius Camerons Anwesenheit beunruhigte ihn, und einen Augenblick später erweckte der Mann auch schon seinen blanken Zorn.
Julius stellte sich in die Mitte des Salons. „Da wir nun alle beieinander sind“, sagte er, „sollte auch nichts mehr verschwiegen werden. Bentner, bringen Sie Champagner. Elizabeth, meinen Glückwunsch. Ich hoffe, du benimmst dich als Ehefrau ordentlich und verschwendest nicht das ganze Geld, das diesem Mann noch verblieben ist.“
Niemand rührte sich. Das Schweigen war beängstigend. Plötzlich hatte Elizabeth den Eindruck, als drehe sich der Salon um sie. „Wie... wie bitte?“ brachte sie schließlich heraus.
„Du bist verlobt.“
Ihre Benommenheit verwandelte sich in flammende Wut. ,Ach, ja?“ fragte sie gefährlich leise. Sie dachte an Sir Francis Belhaven und John Marchman. „Mit wem?“
Zu ihrer Bestürzung sah sie, wie sich ihr Onkel erwartungsvoll zu Ian umdrehte, der ihn seinerseits mordlüstern anstarrte. „Mit mir“, antwortete er kurz, ohne den Blick von Julius Cameron zu wenden.
„Es ist abgemacht“, sagte Julius warnend zu Elizabeth, und da er annahm, es würde sie vielleicht freuen, wenn sie hörte, daß sie einen gewissen Geldwert hatte, fügte er hinzu: „Er hat mir ein Vermögen dafür bezahlt. Ich brauchte ihm keinen einzigen Schilling zu geben.“
Elizabeth, die nicht wissen konnte, daß die beiden Männer einander jemals getroffen hatten, blickte Ian in sprachlosem Zorn an. „Was meint er damit?“ fragte sie dann.
Ian faßte es nicht, daß alle seine romantischen Pläne derart durchkreuzt worden waren. „Damit meint er, daß wir miteinander verlobt sind. Die entsprechenden Papiere sind bereits unterschrieben.“
„Sie arroganter, anmaßender ...“ Die Tränen raubten ihr beinahe die Stimme. „Hätten Sie sich nicht die Mühe machen können, mich vorher zu fragen?“
Endlich wandte Ian den Blick von Julius, und das Herz krampfte sich ihm zusammen, als er sah, wie Elizabeth ihn anschaute. „Wollen wir uns nicht irgendwohin begeben, wo wir dies unter vier Augen besprechen können?“
Weitere Kostenlose Bücher