Havenhurst - Haus meiner Ahnen
machte dann eine erwartungsvolle Pause, und Elizabeth schritt den Mittelgang entlang. Sie fragte sich, wie viele von den tausend Anwesenden sich wohl noch an ihre sogenannte Affäre mit Ian erinnerten und wie viele von ihnen jetzt spekulierten, um wieviel zu früh wohl ein Kind auf die Welt kommen würde.
Es gab jedoch auch freundliche Gesichter. Die eine Schwester des alten Herzogs lächelte Elizabeth zu; die andere betupfte sich die Augen. Ian blickte seiner Braut entgegen, doch sein Gesichtsausdruck war unergründlich. Nur der Vikar, der mit der aufgeschlagenen Ehebibel in den Händen auf die Braut wartete, war ein wirklich tröstlicher Anblick.
Der Duke of Stanhope hatte auf einer großen Hochzeit bestanden, an der die ganze gesellschaftliche Adelsprominenz teilnehmen sollte, denn seiner Meinung nach war eine solche Veranstaltung das einzige, das dem Klatsch um Ians und Elizabeths Vergangenheit ein Ende setzen würde. Wegen der Größe des Ereignisses wurde die Feier in Montmayne arrangiert, denn Havenhurst war zu klein für tausend Gäste, und außerdem besaß es ja auch nicht die erforderlichen Einrichtungen.
Ian hatte den Ballsaal in ein riesiges Blumenmeer verwandeln lassen. An der einen Stirnwand gab es sogar eine kleine Gartenlaube, eine genaue Nachbildung jenen Ortes, an dem sie sich damals anläßlich Charise Jamisons Gesellschaft unfreiwillig begegnet waren.
Elizabeth bemühte sich nach Kräften, nicht immerzu an das zu denken, was ihr Wordsworth heute morgen gesagt hatte. Es gelang ihr nicht, aber sie gab sich trotzdem so, als wäre alles vollkommen in Ordnung.
Wenn immer ihre Stimmung zu gedrückt wurde, schaute sie nach Ian aus. Während der vielen Stunden seit ihrer Trauung hatte sie entdeckt, daß sein Anblick ihre Zweifel bannen und die Beschuldigungen, die der Detektiv erhoben hatte, absurd erscheinen lassen konnte.
Wenn Ian nicht in Sicht war, dann zauberte sie sich einfach ein Lächeln auf die Lippen und machte sich selbst und den anderen vor, daß sie vorbehaltlos eine glückliche Braut war, die sie schließlich auch zu sein hatte.
Da Ian im Augenblick auf dem Weg war, ihr ein Glas Champagner zu holen, und dabei immer wieder von Bekannten aufgehalten wurde, gab sich Elizabeth die größte Mühe, die Hochzeitsgäste anzulächeln, die in endloser Reihe an ihr vorbeiströmten, um ihr zu gratulieren, Glück zu wünschen oder Komplimente über die Dekorationen oder das umfangreiche und köstliche Mahl zu machen, das ihnen serviert worden war.
Sie meinte fast, die Kälte, die sie heute morgen in der Kirche empfunden hatte, war wohl nur ein Werk ihrer überstrapazierten Nerven gewesen, und wahrscheinlich hatte sie viele dieser Menschen falsch beurteilt. Gewiß, die Leute hatten ihr, Elizabeths, Verhalten vor zwei Jahren nicht gebilligt — wie hätten sie das auch tun können? — aber jetzt schienen die meisten von ihnen doch bestrebt zu sein, die Vergangenheit ruhen zu lassen.
Angesichts der Tatsache, daß beinahe jedermann eifrig darauf bedacht war so zu tun, als hätte es diese Vergangenheit überhaupt nicht gegeben, mußte Elizabeth innerlich lächeln. Und lächeln mußte sie auch, wenn sie sich die Dekoration anschaute. Niemand außer der Braut selbst erkannte, daß der ganze Ballsaal große Ähnlichkeit mit den Gartenanlagen bei Charise Jamisons Landhaus besaß und daß die Gartenlaube an der rückwärtigen Wand mit ihrer weißen Pergola die genaue Nachbildung des Ortes war, an dem sie und Ian zum erstenmal im Dunkel der Nacht einen Walzer getanzt hatten.
An der einen Seite des großen Saals standen Duncan, Jake Wiley, Lucinda und der Duke of Stanhope zusammen. Letzterer hob Elizabeth aus der Entfernung das Glas entgegen. Sie lächelte und nickte ihm zu.
Jake Wiley hatte dieses stumme Zwiegespräch beobachtet und strahlte in die Runde. „Eine exquisite Braut, nicht wahr?“ stellte er nicht zum erstenmal fest. Seit einer halben Stunde bereits hatten sich die drei Männer gegenseitig zu ihrer Rolle gratuliert, die sie bei dem Zustandekommen dieser Ehe gespielt hatten. Ihre Stimmung wurde immer ausgelassener, wozu sicherlich auch der gesteigerte Alkoholkonsum beitrug.
„Ja, absolut exquisit“, bestätigte Duncan.
„Sie wird eine ausgezeichnete Ehefrau sein“, erklärte der Herzog. „Meine Herren, das haben wir gut gemacht“, fügte er hinzu und hob sein Glas zu einer weiteren Gratulation. ,Auf Sie, Duncan - dafür, daß Sie meinen Enkelsohn erleuchtet haben.“ Er verbeugte
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