Havenhurst - Haus meiner Ahnen
Ungerechtigkeit nachgedacht, die dem armen Galileo Galilei widerfahren ist?“ fragte er.
Elizabeth senkte den Kopf. „Wie dumm von mir, von so etwas überhaupt zu reden, und dann noch mit einem Gentleman.“
„Oh, für mich war das einmal eine erfrischende Abwechslung von den üblichen seichten Nichtigkeiten.“ Er lächelte verständnisvoll. „Wie lange haben Sie denn schon verhehlen müssen, daß Sie Verstand besitzen?“
„Vier Wochen.“ Sie lachte leise. „Sie können sich überhaupt nicht vorstellen, wie schwer es ist, sich auf die Bedeutungslosigkeiten zu beschränken, wenn man die Leute doch viel lieber nach dem fragen möchte, was sie erfahren und gesehen haben.“
Sie seufzte. „Und Männer erzählen mir schon gar nichts. Falls ich nach irgend etwas frage, dann sagen sie, davon verstünde eine Frau nichts und würde bei einer etwaigen Antwort womöglich noch in Ohnmacht fallen.“
„Was haben Sie denn so gefragt?“
„Ich habe Sir Eiston Greely, der gerade von ausgedehnten Reisen zurückgekehrt war, gefragt, ob er zufällig zu den Kolonien gesegelt ist, und er bestätigte dies. Aber als ich ihn bat, mir zu beschreiben, wie die Eingeborenen aussahen und wie sie lebten, da verschluckte er sich fast und erklärte mir, mit einer Frau spräche man nicht über,Wilde“, und ich würde in Ohnmacht fallen, täte er es doch.“
„Das Aussehen und die Lebensumstände der Eingeborenen hängen von ihrem jeweiligen Stamm ab“, begann Ian, und dann erzählte er von seinen vielen Reisen und beantwortete alle Fragen, ohne daß Elizabeth sie erst stellen mußte.
★
Zwei Stunden verflogen im Handumdrehen, und Elizabeth wollte den Nachmittag am liebsten überhaupt nicht enden lassen, obwohl sie wußte, daß es längst Zeit zum Gehen war.
„Manchmal empfinde ich es als eine große Ungerechtigkeit, daß ich als Frau geboren bin“, sagte sie. „Ich darf alle diese Abenteuer nicht erleben, solche Reisen nicht unternehmen und alle die fremden Orte nicht kennenlernen ...“ „Ja, die Privilegien der Geschlechter sind tatsächlich ungleich verteilt“, stimmte Ian zu.
„Dennoch haben wir alle unsere Pflichten zu erfüllen, und darin soll ja angeblich eine große Befriedigung liegen.“ „Und welche Pflichten sind das?“ fragte er lächelnd.
„Die Pflicht eines Mannes besteht darin, sich für sein Vaterland auf dem Schlachtfeld zu opfern, falls sich die Notwendigkeit dazu ergibt, was verhältnismäßig selten der Fall ist. Die Frau hat sich auf dem Altar der Ehe zu opfern, und das beweist, daß unser Opfer bei weitem das größere ist.“
Ian lachte. „Und wieso ist es das größere?“
„Das ist doch ganz klar: Schlachten dauern nur Tage, höchstens Monate. Die Ehe hingegen dauert ein Leben lang. Und deshalb verstehe ich einfach nicht, warum man die Frauen das schwächere Geschlecht nennt.“ Plötzlich kam ihr zu Bewußtsein, wie ungeheuerlich Ian Thornton ihre Bemerkungen finden mußte. „Ich glaube, Sie halten mich jetzt für schrecklich unerzogen.“
„Ich finde Sie großartig“, widersprach er leise.
Die Aufrichtigkeit, mit der er das gesagt hatte, raubte ihr beinahe den Atem. Gern hätte sie mit einer scherzhaften Äußerung die fröhlich unbeschwerte Stimmung wiederhergestellt, aber ihr fiel beim besten Willen nichts Passendes ein. Sie konnte nur tief seufzen.
„Und ich glaube, das wissen Sie auch“, fügte Ian seinen Worten noch hinzu.
Das war nun ganz bestimmt nicht das dümmliche Wortgeplänkel, das sie von ihren Londoner Kavalieren gewohnt war, und es verwirrte sie ebenso wie der sinnliche Blick aus diesen bernsteinfarbenen Augen. Vielleicht mache ich aber auch nur zuviel aus etwas, das in Wirklichkeit nur eine flache Schmeichelei ist, dachte sie.
„Ich nehme an, Sie finden jede Frau großartig, mit der Sie zusammen sind“, brachte sie heraus.
„Weshalb sagen Sie das?“ fragte er erstaunt.
Elizabeth zuckte die Schultern. „Gestern beim Abendessen zum Beispiel... Sie erinnern sich an Lady Charise, unsere Gastgeberin? Während des ganzen Dinners haben Sie sozusagen an ihren Lippen gehangen.“
Er lächelte. „Eifersüchtig?“
„Genausowenig, wie Sie auf Lord Howard eifersüchtig waren“, erklärte Elizabeth recht herablassend und empfand so etwas wie Genugtuung, als Ians Lächeln verschwand.
„Sie meinen den Burschen, der nicht mit Ihnen reden konnte, ohne Ihren Arm anzufassen?“ fragte er. „Tatsache ist, daß ich mich nicht recht entscheiden konnte, ob ich ihm
Weitere Kostenlose Bücher