Havenhurst - Haus meiner Ahnen
einen stummen Zweikampf des Willens ausfochten. Der Herzog gab als erster auf und brach das Schweigen.
„Ich finde, diese Gelegenheit erfordert Champagner“, sagte er und griff nach dem Klingelzug.
„Ich glaube, sie erfordert etwas wesentlich Stärkeres als das“, erklärte Ian.
Der Herzog verstand wohl, was Ian damit sagen wollte. Lächelnd zog er am Klingelband. „Scotch Whisky, nicht wahr?“
Ian wunderte sich, woher der alte Herr sein Lieblingsgetränk kannte; noch mehr wunderte er sich indessen, als innerhalb von Sekunden Ormsley mit einer Karaffe Whisky, einer Flasche Champagner und den entsprechenden Gläsern hereinkam. Entweder der Butler war ein geflügelter Hellseher, oder die Getränke waren im voraus bestellt worden.
„Meinst du, daß wir uns setzen können?“ fragte der Herzog, nachdem der Butler gegangen war, „oder wollen wir jetzt ausfechten, wer am längsten stehen kann?“
„Ich beabsichtige diese Angelegenheit hier so schnell wie möglich hinter mich zu bringen“, erwiderte Ian frostig.
Statt beleidigt zu sein, wie Ian es beabsichtigt hatte, betrachtete Edward Avery Thornton, Duke of Stanhope, seinen Enkelsohn, und sein Herz schwoll an vor Stolz auf diesen dynamischen, starken Mann, der seinen Namen trug. Edward hätte beinahe allem zugestimmt, wenn er dadurch das gewinnen würde, was er sich auf der ganzen Welt am meisten wünschte: seinen Enkelsohn und dessen Hand zur Versöhnung.
In der Hoffnung, Ian noch länger bei sich halten zu können, sagte er: „Ich kann die Papiere wahrscheinlich innerhalb einer Woche aufsetzen lassen.“
Ian stellte sein Glas ab. „Heute“, entgegnete er eiskalt.
„Es gibt einige gesetzliche Vorschriften, die dabei zu beachten sind.“
Ian hatte sich bei seinen Geschäftsunternehmungen tagtäglich mit gesetzlichen Vorschriften herumzuschlagen. Spöttisch und herausfordernd hob er die Brauen. „Heute.“
Edward seufzte und nickte. „Ein, zwei Tage dauert es trotzdem mindestens. Da sind zum Beispiel die Güter, die dir rechtmäßig zustehen ...“
„Die will ich nicht“, unterbrach Ian ihn. „Auch kein Geld, falls welches vorhanden ist. Ich akzeptiere den verdammten Adelstitel und mehr nicht. Der Schreiber wird ein einfaches Dokument, das mich zum Erben des Titels erklärt, in einer Viertelstunde ausfertigen können.“
„Ian“, begann Edward, aber er sprach nicht weiter. Es wäre sinnlos gewesen. Stolz und Unbeugsamkeit, die Ian als seinen Enkelsohn auswiesen, machten diesen Mann für ihn, den Herzog, auch unzugänglich.
Der Duke of Stanhope erhob sich und verließ das Arbeitszimmer, um seinen Schreiber mit der Ausfertigung der Dokumente zu beauftragen. Er wies ihn allerdings auch an, sämtliche Güter mitsamt deren nicht unerheblichen Erträgen darin aufzunehmen. Dann kehrte er ins Arbeitszimmer zurück.
„So, das wäre erledigt“, sagte er zu dem am Fenster stehenden Ian und setzte sich wieder in seinen Sessel. Ian nickte, füllte sein Glas nach und nahm seinem Großvater gegenüber Platz. Dieser schwieg lange und sagte dann im Gesprächston: „Ich habe gehört, man darf dir zu deiner Verlobung gratulieren.“
Ian erschrak. Seine Verlobung mit Christina Taylor war noch nicht öffentlich bekanntgegeben worden, abgesehen davon, daß sie ja auch wieder gelöst werden sollte.
„Christina Taylor ist eine reizende junge Frau. Ich kenne ihre Familie gut. Christina wird dir eine gute Ehegattin sein.“ „Das dürfte recht unwahrscheinlich sein, da Bigamie in diesem Land ungesetzlich ist.“
Edward mußte entdecken, daß seine Informationen offenbar unzutreffend waren. „Darf ich fragen, wer die glückliche Braut dann ist?“
Ian hätte seinem Großvater beinahe gesagt, er sollte sich zum Teufel scheren, aber da stellte der Herzog langsam sein Champagnerglas ab und erhob sich mühsam. „Ich soll eigentlich keinen Alkohol trinken“, sagte er entschuldigend. „Ich glaube, ich werde mich ein wenig ausruhen. Läute bitte nach Ormsley. Er weiß, was zu tun ist.“
Einen Augenblick später half Ormsley dem alten Herrn die Treppe hinauf, und ein Arzt wurde herbeigerufen. Dieser traf eine halbe Stunde später ein und eilte sofort ins obere Stockwerk hinauf. Ian wartete im Arbeitszimmer mit dem unguten Gefühl, als sei er gerade noch rechtzeitig zum Ableben seines Großvaters hier eingetroffen.
Als der Doktor wieder herunterkam, konnte Ian aufatmen.
„Ich habe dem Herzog immer wieder gesagt, er dürfe keinen Alkohol anrühren“,
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