Havoc - Verwüstung - Thriller
Phantasien weckte.
Cali packte ihr Waschzeug in den Rucksack, ließ den Blick ein letztes Mal sorgfältig das Zimmer absuchen, um sicherzugehen, dass sie nichts vergessen hatte, und begab sich ins Foyer des Hotels hinunter. Der Empfangsbereich der Acht-Zimmer-Herberge war ein offener Raum, der in drei Wänden durch Bogendurchgänge begrenzt wurde. Im hinteren Teil befanden sich das Empfangspult, das auch als Bar diente, sowie eine Tür, die in die Küche führte. Eine bunte Kollektion aus Tischen und Stühlen, die nicht zusammenpassten, stand in Gruppen auf den Steinplatten herum, die den Fußboden der Halle bildeten. Jenseits der Bogengänge fiel der dampfende Regen in dichten Bahnen vom Himmel. Der lehmige Hauptplatz der Stadt war mittlerweile zu einem veritablen Sumpf aufgeweicht worden. Eine Gruppe von Dorfbewohnern hockte zusammengekauert hinter einem Lastwagen und wartete darauf, sich dem allgemeinen Exodus endlich anschließen zu können. Ihre wenigen Besitztümer trugen sie in geflochtenen Graskörben oder in zusammengeschnürten Bündeln auf den Köpfen bei sich.
Cali suchte sich einen Platz im hinteren Teil des Foyers.
»Ah, Miss, Sie sind aber schon früh auf den Beinen.« Wie man es bei den meisten Geschäftsunternehmen in West- und Zentralafrika erlebte, war der Hotelinhaber auch hier ein Libanese.
»Das verdanke ich dem schießwütigen Weckdienst«, erwiderte Cali und ließ sich eine Tasse Kaffee servieren. Sie musterte den Hotelier, ihre Miene war eine einzige Frage.
»Ja, ja, ja, Sie können beruhigt sein, das Wasser hat gekocht.« Er blickte in den strömenden Regen hinaus. »Die Soldaten, die von der Regierung geschickt wurden, sind nicht besser als Caribe Dayce’ Banditen. Ich glaube, wenn die UN keine Beobachter hergesandt hätte, wäre es der Regierung nicht im Traum eingefallen, sich um uns zu kümmern.«
»Ich bin gestern in Bangui gewesen«, erzählte Cali. »Dort ist es genauso schlimm. Wer das Land verlassen kann, sieht zu, dass er schnellstens wegkommt.«
»Ich weiß. Meine Angehörigen wohnen dort. Viele sind überzeugt, dass Dayce zur Hauptstadt weiterzieht, sobald er Rafai eingenommen hat. Morgen treffe ich meine Familie, und Ende der Woche gehen wir nach Beirut.«
»Kommen Sie denn wieder zurück?«
»Natürlich.« Die Frage schien ihn zu überraschen. »Dayce wird am Ende doch scheitern.«
»Was macht Sie so sicher?«
»Miss, dies ist Afrika, am Ende versagt hier alles.« Er entfernte sich, um die Bestellung eines Lastwagenfahrers aufzunehmen, der soeben aus dem Regen hereingekommen war.
Cali verzehrte zwei von den Bananen, die er an ihren Tisch gebracht hatte, und ließ zehn Dollar liegen. Nach dem in Kivu herrschenden Lebensstandard war der Libanese ein reicher Mann, doch sie hatte das Gefühl, sie müsse ihm ein zusätzliches Geschenk machen, und wenn auch nur, um ihm den
Eindruck zu vermitteln, dass es draußen Leute gab, denen das Schicksal der Flüchtlinge nicht gleichgültig war.
Sie hatte ihren gemieteten Land Rover in einem windschiefen Schuppen auf dem lehmigen Hof hinter dem Hotel geparkt. Der Regen, der auf sein Blechdach trommelte, klang wie ein Wasserfall. Sie hielt den Kopf gesenkt, während sie durch den zähen Matsch watete, so dass sie den Schaden nicht bemerkte, bis sie in den Schuppen schlüpfte. Die vier Einschusslöcher in der Windschutzscheibe des Rovers waren gar nicht das Problem. Ebenso wenig die zerschmetterten Scheinwerfer. Sie hätte sich auch damit abfinden können, wenn einer der Reifen zerschossen worden wäre, denn an der hinteren Tür des Jeeps hing ein Ersatzrad angeschraubt. Es war der zweite platte Vorderreifen, der eine heftige Reaktion bei ihr auslöste.
Heiße Wut kochte in ihr hoch. Sie drehte sich herum und suchte nach etwas, woran sie ihren Zorn auslassen konnte. Der Platz füllte sich schnell mit Leuten, die es nicht erwarten konnten, diese Gegend hinter sich zu lassen. Einige Soldaten versuchten, wenigstens einen Anschein von Ordnung aufrechtzuerhalten, während andere gleichgültig in Hauseingängen lehnten, wo sie vor dem Regen sicher waren. Niemand achtete auf sie.
»Verdammter Mist«, fluchte sie hilflos. Sie konnte nichts und niemandem die Schuld geben. Es hätte absolut keinen Sinn. Forschte man nach, wer auf das Allradfahrzeug geschossen hatte, würde es dadurch doch nicht instand gesetzt werden. Und ohne den Wagen war sie genauso hilflos wie die Flüchtlinge.
Ehe sie die Vereinigten Staaten verließ, verriet einer
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