Havoc - Verwüstung - Thriller
besserer Vergleich ein. Ich meine damit, dass es für einen Amerikaner nichts Ungewöhnliches ist, jemanden aus Frankreich oder Deutschland zu heiraten. Das Gleiche gilt auch in Bezug auf unterschiedliche Hautfarben. Im Mittleren Osten käme es niemals dazu, dass ein Schiit eine Sunnitin oder ein Türke eine Kurdin heiraten würde. Es ist einfach nicht üblich. So etwas tut man nicht. Und seit 1980 ist die Chance, dass es zu einer Vermischung der verschiedenen ethnischen Gruppierungen kommen könnte, noch um einiges geringer geworden.«
»Warum das denn?«, fragte Cali. »Was ist 1980 geschehen?«
»Irak hat den Iran überfallen«, erklärte Ahmad. »Dieser Konflikt mag Ihnen geringfügig erscheinen, doch im Mittleren Osten war es ein geradezu weltbewegendes Ereignis. Die Iraner waren in keiner Weise auf die Invasion vorbereitet und wurden förmlich überrollt. Um die Moral seiner Leute zu stärken, berief sich Ayatollah Khomeini auf die Geschichte und verwies auf die Schlacht von Kerbela, in der im Jahr 680 Husain ibn Ali, der Enkelsohn des Propheten Mohammed, von Yazid 1., dem Kalifen der Umayyaden, vernichtend geschlagen wurde. Dieses Datum ist bis heute für die schiitischen Muslime ein besonders wichtiger Feiertag. Khomeini war äußerst raffiniert, als er eine im Grunde auf die Eroberung von Land und Ölvorräten ausgerichtete Auseinandersetzung zu einem heiligen Krieg hochstilisierte.«
»Wie das?«, fragte Mercer und beteiligte sich trotz seiner gedrückten Stimmung nun doch an der Unterhaltung.
»Husain und seine Armee wurden bis auf den letzten Mann ausgelöscht. Sie gelten als die ersten Märtyrer des Islam. Khomeini erklärte seinen Leuten, dass Saddam Hussein, ein Sunnit, die moderne Reinkarnation Yazids sei und dass jeder
Iraner sein Leben opfern müsse, um ihn zu besiegen, so wie Husain es auch getan hatte. Er verfügte per Dekret, dass jedem, der den Märtyrertod starb, ein Platz im Himmel garantiert sei. Mit einem einzigen Streich setzte er damit das Gebot des Koran, dass Selbstmord eine Todsünde gegen Gott ist, außer Kraft und schuf so die ersten Selbstmordattentäter des Mittleren Osten.
Noch während der Kampf gegen die Iraker im Gange war, schickte Khomeini ganze Kader ausgebildeter Männer in den Libanon, nachdem dort der Bürgerkrieg ausgebrochen war, und auch später, während der Besetzung durch Israel, um die Lehre zu verbreiten, dass ein Selbstmordattentat keine Sünde, sondern sogar ein besonders ruhmreiches Opfer für Allah sei. Bedenken Sie, dass der Koran eine solche Tat ausdrücklich verbietet, und trotzdem schaffte er es, verzweifelte Menschen davon zu überzeugen, dass sein Wort wichtiger sei als das, was Gott selbst seinem Propheten Mohammed mitgeteilt hatte.
Natürlich verbreitete sich die Nachricht von seiner Verkündigung von dort bis zur West Bank und nach Gaza, wo sich Muslime gegen eine überlegene Macht zur Wehr setzten. Infolgedessen haben wir es jetzt mit jungen Männern zu tun, die blindlings den Predigten eines Verrückten folgen, der ihnen weismacht, dass es Gottes Wille sei, dass sie ihr eigenes Leben opfern, indem sie in einem Autobus oder einem Restaurant eine am eigenen Leib versteckte Bombe zünden und so viele Opfer wie möglich mit ins Jenseits nehmen.«
»Und dann kam es zum elften September«, sagte Cali.
»Und zu Madrid und London und Indonesien und Pakistan und Irak … und die Liste wird länger und länger.« Ahmad drückte mit bitterer Miene seine Zigarette aus. »Zwischen Schiiten und Sunniten bestand zwar schon seit Langem
ein gespanntes Verhältnis, aber so wie heute ist es doch nicht immer gewesen. Mittlerweile wird es als legitim betrachtet, dass ein Sunnit mit dreißig Pfund Plastiksprengstoff am Körper eine schiitische Moschee aufsucht und sich in die Luft sprengt. Khomeini hat den blutigen Krieg ausgelöst, der zu einer Teilung des Islam geführt hat, nur um seine Nachbarn zu besiegen.«
»Besteht denn überhaupt eine Möglichkeit, diesem Grauen Einhalt zu gebieten?«
»Nicht bevor sich ein Geistlicher zu Wort meldet, der genügend Einfluss besitzt, um Khomeinis Dekret zu widerrufen und den Selbstmord wieder zur Sünde zu erklären. Ich kann nicht aufhören, die Bedeutung seiner Aktionen anzuprangern und zu betonen, wie nachhaltig sie unseren Glauben beschädigt haben. Und ich fürchte, dass Ihre Invasion in den Irak in dieser Hinsicht nicht besonders hilfreich war.« Beschwichtigend hob er eine Hand, als er sah, wie in Calis Augen Zorn
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