Havoc - Verwüstung - Thriller
Weg. Anstatt sich nach Tisa Nguyens Tod eine Auszeit zu nehmen, hatte er sich geradezu in der Arbeit vergraben. Schon bald nach ihrer Beerdigung war er in die kanadische Arktis zurückgekehrt, wo er für De Beers einige Auftragsarbeiten durchzuführen hatte. Danach war er für zwei Monate im Auftrag der brasilianischen Regierung unterwegs gewesen und hatte eine Spezialeinheit geleitet, die gegen illegale Goldförderung im Regenwald am Amazonas vorging. Darauf folgten sechs Wochen Beratungstätigkeit in Johannesburg und anschließend zwei Monate geologischer Untersuchungen im Atomendlager in den Yucca Mountains in Nevada. Erwartungsgemäß hatte diese Form der Ablenkung die Wunden zwar nicht heilen können, aber die Narben waren auch nicht mehr so empfindlich, was zur Folge hatte, dass er Cali Stowe als eine attraktive Frau wahrnehmen konnte.
Ein Schwall Dieselkraftstoff quoll aus der Tanköffnung, und Mercer schloss hastig das Zapfventil am Ende des Tankschlauchs, während seine Gedanken in die Gegenwart zurückkehrten. Verärgert sah er sich um. Hier kämpften Menschen um ihr nacktes Leben, während er die ersten Regungen seiner lange verschütteten Libido registrierte.
Er legte den Schlauch um die Halterung, die sich außen an der Rückwand des Führerhauses befand, und schwang sich dann auf den Fahrersitz. Er streifte seine nasse Regenjacke ab und stopfte sie hinter die Rückenlehne. Cali hatte sich ein frisches, trockenes Buschhemd angezogen, mit Make-up die dunklen Ringe unter ihren Augen abgedeckt und auch ihre Lippen nachgezogen. Sie war vermutlich Mitte dreißig, doch mit den Sommersprossen sah sie eher wie ein Teenager aus. Mercer quittierte ihre kosmetischen Klimmzüge mit einem Lächeln.
»Ja, ja. Ich weiß. Typisch Frau, egal wo sie ist, ihr Make-up muss perfekt sein. Zu Ihrer Information, ich bin seit fünf Jahren als Feldforscherin bei den CDC und hab mich dabei an Orten aufgehalten, verglichen mit denen dies hier das reinste Paradies ist. Meine Kosmetikutensilien wiegen genau sechs Unzen, und ohne sie gehe ich nirgendwohin.«
»Bei Ihrem hellen Teint ist das eine gute Idee.«
Cali hielt inne, sah ihn prüfend an, wobei ihre Mundwinkel zu einem überraschten Lächeln nach oben wanderten. »Vielen Dank. Sie können sich gar nicht vorstellen, was ich mir von einigen Männern, mit denen ich zusammengearbeitet habe, schon so alles gefallen lassen musste.«
»Ich bin jedes Jahr für mindestens sieben oder acht Monate weit weg von zu Hause«, erzählte Mercer. »Ich weiß, wie wichtig gerade die kleinen Dinge sein können. Vor einer Weile hab ich mit einem Typen in Kanada zusammengearbeitet, der die Fernbedienung seines Fernsehers bei sich hatte. Er sagte, wenn er sie in der Hand hält, gebe sie ihm das Gefühl, er säße zu Hause in seinem Wohnzimmer. Obwohl seine Frau und seine Kinder deshalb richtig sauer seien.«
Cali lachte. »Und wie ist es bei Ihnen? Haben Sie auch irgendwas bei sich, damit Sie sich besser fühlen?«
Mercer wurde ernst. »Ich will’s nicht allzu dramatisch machen, aber dies hier hilft mir schon dabei.« Er holte die Beretta aus dem Halfter hinter seinem Rücken hervor und legte sie zwischen sich und Cali auf die Sitzbank. »Ich dachte, Sie sollten wissen, dass ich so ein Ding bei mir habe.«
Sie nickte. »Bleibt nur zu hoffen, dass wir sie nicht brauchen.«
Der Dschungel begann ungefähr anderthalb Meter von der Rückseite des letzten Hauses der Stadt entfernt - und zwar in Gestalt eines dichten grünen Dachs, das sich über die primitive Lehmpiste spannte, so dass man sich vorkam, als führe man durch einen lebenden Tunnel. Während der ersten halben Stunde passierten sie armselige und bemitleidenswerte Gruppen von Flüchtlingen, die sich nach Süden in Richtung Kivu schleppten. Mercer hielt neben jeder Gruppe an und erklärte den Flüchtlingen, dass er sie auf der Rückfahrt mitnehmen würde, falls er genügend Platz hätte, doch sie sollten sich auf jeden Fall beeilen, schon mal weiterzukommen. Keiner der Einheimischen hatte Dayce’ Armee gesehen oder gehört, doch Mercer und Cali verzichteten während ihrer Weiterfahrt nach Norden auf Konversation und achteten stattdessen weiterhin wachsam auf ihre Umgebung.
Der Regen ließ allmählich nach, und auch wenn die Scheibenwischer bei jeder Bewegung ein Geräusch verursachten, als würden Nägel über eine Wandtafel kratzen, wollte Mercer sie doch nicht ausschalten. Zu viel Wasser troff von den Bäumen herab, und wenn er
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