Havoc - Verwüstung - Thriller
behandelt wurde. Krebs. Warum sollte man sich mit einem Kind belasten, das ohnehin bald sterben würde?
»Sie sind sehr mutig und tapfer, hiergeblieben zu sein«, sagte Mercer langsam.
Die Frau sagte nichts, aber ihre Augen füllten sich mit Tränen.
»Ich habe einen Lastwagen in der Nähe der Fähre über den Chinko stehen. Ich kann euch alle nach Rafai bringen.« So schnell, wie die Tränen hervorgequollen waren, versiegten sie auch wieder, und die düstere Miene der Frau hellte sich zu einem Lächeln auf. »Sagen Sie den anderen Bescheid«, fügte er hinzu. »Wir können in ein paar Minuten aufbrechen.«
»Kommen Sie von der Regierung?«
Mercer wollte ihr nicht erklären, dass ihre Regierung sämtliche Leute nördlich von Kivu im Stich gelassen hatte. »Ja.«
Die Frau rief den Dorfbewohnern, von denen viele bereits aus ihren Lehmhütten gekommen waren, etwas zu. Schnell verschwanden sie wieder in ihren Behausungen, um alles zusammenzuraffen, was noch irgendeinen Wert hatte und von den jüngeren Leuten nicht schon mitgenommen worden war, als diese geflüchtet waren.
»Was wissen Sie von der Mine auf dem Plateau oberhalb des Flusses?« Sie gab keine Antwort, daher drückte Mercer es anders aus. »Ich meine die Löcher, die in den Berg gegraben wurden. Wissen Sie, wer das getan hat?«
Sie sprach mit der alten Frau, die wiederum ausführlich antwortete und mit einem feuchten Husten schloss. »Ein weißer Mann kam hierher, als meine Großmutter noch ein Kind war.« Dieser Hinweis lieferte Mercer einen ziemlich
genauen Zeitrahmen. »Er bezahlte die Männer dafür, viele Löcher zu graben, und verließ uns dann mit einigen Kisten voller Erde. Einige Zeit verstrich, dann kamen noch mehr Männer, und sie nahmen noch mehr Erde mit.«
»Wurden kurz danach die Leute in Ihrem Dorf krank?« Mercer legte eine Hand auf die entsprechende Stelle seines Halses, wo der Tumor des kleinen Mädchens zu sehen war.
Die junge Mutter ergriff die Hand ihrer Tochter. »So erzählt meine Großmutter. Viele Kinder sterben, und viele werden geboren und haben …« Ihr fehlten die Worte, um die grässlichen Missbildungen der Neugeborenen zu beschreiben, die durch akute radioaktive Strahlung hervorgerufen wurden. Viele Kinder waren vermutlich sogar tot geboren worden.
Mercer wandte sich an Cali. »Ich glaube, dies ist die Stelle, wo die Vereinigten Staaten während des Zweiten Weltkriegs Pechblende gewannen.«
»Ich dachte, sie kam aus dem Kongo«, sagte Cali schnell, dann stammelte sie: »Das ist doch das Zeug, das für Atombomben verwendet wird, nicht wahr? Ich hab vor etwa einem Monat im History Channel eine Dokumentation über das Manhattan Project gesehen. Ich könnte schwören, dort hätte es geheißen, dass wir unser Uran aus dem Kongo bezogen haben.«
»Ich bin mir nicht ganz sicher«, erwiderte Mercer. »Aber jemand hat auch hier etwas gefördert, und dem Alter der Frau zufolge muss es während des Zweiten Weltkriegs gewesen sein. Kurze Zeit später beobachtete man bei den Dorfbewohnern erste Anzeichen von Strahlenkrankheit. Dann stellte man fest, dass dieser Ort die höchste Krebsrate der Welt aufweist. Der Mann, der die ersten medizinischen Untersuchungen durchführte, hielt den Tagebau für ein System von
Bewässerungskanälen oder etwas Ähnliches und kam nie darauf, um was es sich tatsächlich gehandelt haben muss. Meist geht von Pechblende keine Gefahr aus. Sie muss erst gereinigt werden, ehe die Strahlenkonzentration hoch genug ist, um Krankheiten auszulösen. Aber offensichtlich trifft das nicht auf diesen Ort zu. Die natürliche Konzentration von Uran 235 war von vornherein schon hoch genug, um Geburtsschäden und Krebs auszulösen.«
Die alte Frau sagte ein paar Worte zu ihrer Enkelin. Diese verschwand in der Hütte und hatte etwas in der Hand, als sie wieder herauskam. Es fiel zu Boden, als sie es Mercer reichte. Er hob es auf. Es war eine metallene Feldflasche mit einer wasserdichten Stoffhülle. Der olivfarbene Stoff war ausgefranst und brüchig, schien jedoch in einem erstaunlich guten Zustand zu sein. Das Metall war immer noch hell und glänzend. In Mercers Augen sah die Flasche so aus, als gehörte sie zur offiziellen militärischen Ausrüstung. Er entfernte die Stoffhülle von der Flasche, und ein Stück Papier flatterte zu Boden. Darauf waren die Worte zu lesen: »Eigentum von Chester Bowie.«
Er zeigte Cali den Zettel. »Das ist eindeutig ein amerikanischer Name. Ich glaube, der History Channel hat sich
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