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Havoc - Verwüstung - Thriller

Havoc - Verwüstung - Thriller

Titel: Havoc - Verwüstung - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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können. Das war eine Eigenschaft, die er aufrichtig bewunderte, denn es gab nicht mehr viele Menschen, die sich dadurch auszeichneten.
    Einer der Flüchtlinge, die er mitgenommen hatte, drückte ihm zwei Tomaten in die Hand, während er den Lastwagen
mit Dieseltreibstoff aus dem Fass auf der Ladefläche hinter dem Führerhaus auftankte. Mercer war von dieser Geste überwältigt. Der Mann hatte soeben alles verloren, was er einmal besessen hatte, darunter auch sein Zuhause, wo er wahrscheinlich seit seiner Kindheit gewohnt hatte, und wollte sich trotzdem bei ihm mit dem einzigen Proviant bedanken, der ihm für die Zeit bliebe, die es dauern würde, bis er wieder eine feste Bleibe fände. Mercer betrachtete die Tomaten eingehend, suchte die beste für sich aus und gab die andere zurück. Die schönere Frucht zurückzugeben wäre eine Beleidigung gewesen. Der Farmer berührte Mercers Hand und nickte. Seine Frau, die hinter ihm stand, lächelte dankbar und drückte ihre Kinder noch ein wenig fester an sich.
    Mercers Gedanken kehrten zu Cali zurück. Er konnte sich vorstellen, dass sie als Feldforscherin für die CDC sicherlich in einigen ärmlichen Gegenden tätig gewesen war, aber er bezweifelte, dass sie so etwas wie diese Verhältnisse schon einmal gesehen hatte. Trotzdem behandelte sie die Tatsache, dass ihr Wagen zusammengeschossen worden war, als sei es nicht mehr als eine lästige Unannehmlichkeit. Diese Art von Selbstvertrauen konnte nur aus einer reichen Erfahrung erwachsen. Er ging davon aus, dass die CDC ihre Leute nicht auf so etwas wie dies hier vorbereitete, daher vermutete er, dass sie eine besondere Vergangenheit hatte - vielleicht sogar so etwas wie eine militärische Ausbildung.
    Das beruhigte ihn ein wenig, wenn er an ihre gemeinsame Fahrt in den Norden dachte. Er hatte zwar nur eine einzige Waffe bei sich, eine Beretta-92-Pistole, aber er ahnte schon jetzt, dass sie sicher nicht erschrecken würde, wenn er sie benutzte. Und wenn er es sich recht überlegte, würde er sich auch gar nicht mal so sehr wundern, wenn sie ebenfalls bewaffnet wäre.

    Die Vorstellung, wie sie eine Pistole schussbereit in der Hand hatte, beschleunigte seinen Pulsschlag. Es war die Fähigkeit, Gewalt anzuwenden, die zu ihrem attraktiven Aussehen und ihrem Mund in einem krassen Gegensatz stand. Seltsamerweise nahm er ganz bewusst zur Kenntnis, wie gut sie aussah. Seltsamerweise deshalb, weil Mercer schon seit langer Zeit keine Frau mehr unter diesem Aspekt betrachtet hatte, genau genommen nicht mehr, seit vor etwa acht Monaten eine Frau, von der er geglaubt hatte, dass er sie liebe, gestorben war.
    Er stellte fest, dass sich ihm schon wieder die gleiche Frage aufdrängte, mit der er sich seit ihrem Tod herumschlug. Er hatte ihr nicht gesagt, dass er sie liebe, bis sie den Tod gefunden hatte und ein solches Geständnis keine Konsequenzen mehr haben konnte. Er wusste noch immer nicht, was das bedeutete oder ob es überhaupt irgendeine Bedeutung haben musste. Er hatte sich lange mit seinem besten Freund darüber unterhalten. Harry hatte ihm daraufhin den Rat gegeben, eine Weile um sie zu trauern, vielleicht sogar für den Rest seines Lebens ein Gefühl des Verlustes mit sich herumzutragen, aber ja nicht zuzulassen, dass sein Schuldgefühl sie zu etwas hochstilisierte, das sie gar nicht war. Harry in Sachen Frauen um einen Rat zu bitten war fast genauso, als fragte man einen Veganer, ob er einem ein gutes Steakrestaurant empfehlen könne. Dieses Mal jedoch hatte der alte Mann genau ins Schwarze getroffen. Harry kannte Mercer besser als jeder andere Mensch und wusste daher ganz genau, dass Schuldgefühle für ihn ein viel stärkerer Antrieb waren als jede andere Emotion.
    In Wahrheit war es jedoch eher die Angst vor Schuldgefühlen, die Mercer beherrschte, die Angst davor, erkennen zu müssen, dass er mehr hätte tun können, aber nicht getan hatte.
Das war es, was ihn vor allem professionell vorantrieb. Er hatte Angst davor, eines Tages in den Spiegel zu schauen und erkennen zu müssen, dass er bei irgendetwas versagt hatte, das er eigentlich hatte tun wollen. Und anstatt sich Herausforderungen zu ersparen, setzte sich Mercer ständig höhere und zunehmend schwieriger zu erreichende Ziele. Es gab für ihn keine andere Verpflichtung, in den Norden zurückzukehren, als sein eigener Wunsch, all denen zu helfen, die sich nicht selbst helfen konnten.
    Aber wie so viele Männer ging er den Herausforderungen seines Gefühlslebens aus dem

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