Havoc
der Katzen entführt und ins Haus des Todes verschleppt hat. Und dort wurden sie dann zu Monstern umoperiert.« Sie sah ihn an. »Was meinst du?«
»Ehrlich gesagt, will ich es gar nicht so genau wissen«, sagte Seth kopfschüttelnd. »Ich finde diese Stadt echt unheimlich.«
Kady legte ihm tröstend eine Hand auf den Arm. »Da bist du nicht der Einzige.«
Vergeblich kämpfte Seth gegen das Unbehagen an, das mit jedem Schritt stärker wurde. Bald zerrte die gespenstische Stille so an seinen Nerven, dass er schon beim geringsten Anlass zusammenzuckte. Außerdem hatte er schon seit einiger Zeit wieder das beunruhigende Gefühl, beobachtet zu werden. Immer wieder bildete er sich ein, aus dem Augenwinkel heraus eine winzige Bewegung wahrzunehmen, aber sobald er genauer hinschaute, war nichts mehr zu sehen. Und dann hörte er plötzlich sehr wohl Geräusche in der Stadt, die ihn umgab. Ganz leise Geräusche: wie Kiesel, die von einem Dach rieselten. Ein Rascheln im Gras. Entferntes, gedämpftes Lachen, fast zu leise, um es zu hören.
»Scotty hat uns gewarnt. Erinnert ihr euch?«, sagte Kady. »Tall Jake hat die Stadt, nachdem er sie zerstört hatte, mit einem Zauber belegt. Ist doch klar, dass wir das auch jetzt noch spüren. Wahrscheinlich ist das wie eine Art Strahlung, die sich erst ganz langsam abbaut.«
»Aber schau dich doch mal um«, sagte Seth. »Die Stadt ist kaum beschädigt. Dass alles so baufällig wirkt, liegt nur daran, dass sie völlig verlassen ist. Tall Jake hat Akropolis nicht zerstört . Es ist, als wären bloß die Bewohner verschwunden.«
»Mein Vate r … also, mein Stiefvater, Gre g … ist mal in Japan auf einem Kongress für Computerfachleute gewesen«, erzählte Kady. »Er fand in Hiroshima statt, ihr wisst schon, der Stadt, auf die die Amerikaner im Zweiten Weltkrieg die erste Atombombe geworfen haben. Dort gibt es ein Museum, in dem die Eingangsstufen von einem Gebäude stehen, das in der Nähe der Stelle stand, wo die Bombe explodiert ist. Ich glaube, es war eine Bibliothek oder so etwas. Sie haben die Treppe im Museum wieder aufgebaut. Und auf den Stufen ist noch der Schatten des Mannes zu sehen, der dort saß, als die Bombe hochging. Der Schatten wurde für alle Zeit in den Stein gebrannt.« Sie musste blinzeln, weil ihr bei dem Gedanken daran die Tränen kamen. »Die Menschen wurden zu Schatte n … von einer Sekunde auf die andere. Einfach so.«
Seth legte ihr tröstend eine Hand auf die Schulter. »Lass uns weitergehen, ja? Je schneller wir hier rauskommen, desto besser.«
Justin hatte schon vor einiger Zeit begonnen, die Strecke zu markieren, damit sie später wieder zurückfanden. An jeder Ecke kratzte er mit einem spitzen Stein einen Richtungspfeil in die Mauern. Er musste seine Gefährten nicht an Stöpsels Warnung erinnern. Keiner von ihnen legte Wert darauf, nach Einbruch der Dämmerung noch in der verlassenen Stadt zu bleiben.
Selbst Tatyana schien nervös zu sein. Normalerweise war es beruhigend, eine so Furcht einflößende Gefährtin an der Seite zu haben, aber hier hatten sie es nicht mit gewöhnlichen Wegelagerern oder Banditen zu tun. Es war viel schlimmer: Sie wussten ja nicht einmal, mit wem oder mit was sie es zu tun hatten. Möglicherweise war die Geschichte über die Geister in Akropolis nur ein Gerüch t – vielleicht aber auch nicht. Jedenfalls hatte keiner von ihnen Lust, es herauszufinden.
Seths Erinnerung nach hatte Andersens Weg von dem Gebäude mit der Kuppel zu einem großen Platz geführt. Von den Dächern der umliegenden Gebäude aus konnten sie ihn nirgends entdecken, also blieb ihnen nichts anderes übrig, als zu hoffen, im Gewirr der Straßen zufällig darauf zu stoßen. Auch wenn sie mit Sicherheit viel schneller fündig geworden wären, wenn sie sich getrennt hätten, zogen sie es vor zusammenzubleiben.
Irgendwann kamen sie an einem besonders detaillierten Mosaik vorbei, das die gesamte Seitenfläche eines Gebäudes einnahm. Auf dem Bild war zu sehen, wie die Katzen und die Bewohner der Stadt in Panik flohen. Über ihnen ragte mit erhobenen Armen riesengroß Tall Jake auf. Sein Gesicht lag halb hinter dem aufgestellten Kragen seines Mantels verborgen, aber auf seiner Wange konnte man deutlich die Narbe der Wunde erkennen, die ihm der Shard während ihres letzten großen Kampfes beigebracht hatte.
Der Anblick erinnerte Seth wieder an die Skulptur in seinem Rucksack. Was sollten sie machen, wenn die Königin der Katzen auch nicht wusste, wie
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