Hawaii
blickte er die hübsche neunzehnjährige Charity an, deren Locken bis auf die Schulter fielen, und sagte mit hochrotem Kopf und einer tiefen Verbeugung: »Ich bin besonders erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen, Fräulein Bromley.«
»Sie ist nicht Jbrusha!« quietschte Mercy und brach in ein wildes Kichern aus.
Herr Bromley fiel in das Gelächter ein und sagte: »Sie wissen ja, wie albern Mädchen sein können, Abner. Sie haben ja auch Schwestern. Sie werden Jerusha schon erkennen, wenn sie herunterkommt. Sie ist die Hübscheste.«
Abner fühlte, wie eine lähmende Verlegenheit ihn packte. Dann bemerkte er, daß Frau Bromley eine Frage an ihn gerichtet hatte: »Haben Sie eine Schwester in Mercys Alter? Sie ist zwölf.«
»Ich habe einen Bruder von zwölf«, sagte er ungeschickt.
»Wenn Sie einen Bruder von zwölf haben«, sagte die aufgeweckte Mercy, »dann können Sie nicht gut noch eine Schwester von zwölf haben.«
»Es sei denn Zwillinge«, lachte Charity.
»Wir haben keine Zwillinge«, erklärte Abner genau.
»Also hat er auch keine Schwester von zwölf!« triumphierte Mercy.
»Meine Frau wollte nur sagen, Abner«, erklärte Herr Bromley, »daß, wenn Sie eine Schwester von zwölf gehabt hätten, Sie verstehen könnten, warum wir mitunter diesen kleinen Teufel am liebsten ertränken würden.«
Der Gedanke überraschte Abner. Er hatte seine Eltern nie etwas Ähnliches sagen hören, selbst nicht im Spaß. Tatsächlich hatte er in diesen ersten Minuten bei den Bromleys mehr Scherze gehört als während seines ganzen bisherigen Lebens im Elternhaus. »Mercy ist ein viel zu schönes Kind, um ertränkt zu werden«, murmelte er und glaubte, damit etwas Galantes gesagt zu haben. Aber dann erstarrte er, denn Jerusha Bromley kam die Treppe herab und betrat das Zimmer. Sie war zweiundzwanzig Jahre alt, schlank, dunkelhaarig, mit einem vollkommen schönen Gesicht, das auf jeder Seite von drei weichen, hüpfenden Korkzieherlocken eingerahmt wurde. Sie sah zauberhaft aus in ihrem hauchdünnen Kleid aus rosa- und weißgemustertem Musselin, das durch eine Reihe großer Permuttknöpfe geschlossen war, nicht jene flachen Knöpfe, die man in billigeren Geschäften findet, sondern schön gewölbte und schillernde. Die Knöpfe liefen in ununterbrochener Linie von dem Halsausschnitt, an dem sie eine Brosche trug, über die schlanke Taille bis zum Saum des Rockes, wo drei breite Klöppelspitzen den Schmuck des Kleides vollendeten. Abner, der sie zum erstenmal sah, mußte schlucken. Sie kann nicht diejenige der Schwestern sein, die mir zugedacht ist, sagte er zu sich. Sie ist so zauberhaft.
Sie ging ruhig durch das Zimmer, reichte Abner die Hand und sagte mit sanfter Stimme: »Das klügste, was ich je in meinem Leben getan habe, war, an Esther zu schreiben. Jetzt glaube ich, Sie schon zu kennen, Pastor Hale.«
»Er heißt Abner!« rief Mercy, aber Jerusha achtete nicht auf sie. Es war ein langer, heißer, beschwingter Nachmittag, von ein Uhr bis sechs. Abner hatte nie zuvor so viel Witz und freies Lachen gehört. Der Spaß wurde ihm nur durch die Tatsache verdorben, daß er am Vormittag bei seiner bestaubten Ankunft im Gasthof riesige Mengen Wasser getrunken hatte, und von vier Uhr an nach nichts anderem verlangte, als danach, auf die Toilette zu gelangen - eine peinliche Lage, in die er noch nie in seinem Leben geraten war und der er hilflos gegenüberstand. Schließlich sagte Bromley offen: »Mir fällt gerade ein, daß wir diesen jungen Mann schon fünf Stunden lang reden lassen. Ich wette, er möchte mal hinaus.« Und der errötende junge Geistliche folgte ihm dorthin, wo er sich Erleichterung schaffen konnte. Bei Tisch bemerkte Abner, daß die gesamte Familie Bromley seine Manieren beobachtete. Dennoch war er sicher, daß er sich gut benahm, und er freute sich darüber, denn obwohl es ihm lächerlich vorkam, einen Mann nach seinen Manieren zu beurteilen, so erkannte er plötzlich, wieviel ihm daran lag, das Wohlgefallen dieser freundlichen Familie zu erregen. »Wir haben alle darauf gewartet, ob Sie die Kirschkerne mit dem Finger aus dem Mund nehmen«, neckte ihn Mercy.
»Im College haben wir gelernt, daß man so etwas nicht tut«, erklärte Abner. »Zu Hause spuckte ich sie einfach aus.« Die Familie lachte herzlich, und Abner entdeckte zu seiner Verwunderung, daß er einen Witz gemacht hatte, ohne es zu wollen.
Um acht Uhr fragte Bromley, ob Abner die Abendandacht halten wollte, wozu er sich bereit erklärte. Er
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