Hawaii
sie einander beim Umziehen behilflich sein konnten.
Für dieses Dankfest wechselte Jerusha sittsam ihre rote Flanellunterwäsche, die sie schon mehrere Wochen auf dem Leibe trug, gegen eine frische Garnitur. Dann schnürte sie sich mit einem starren Korsett, das durch eine fünf Zentimeter breite
Planchette aus polierter Birke gehalten wurde. Lange gestrickte schwarze Strümpfe wurden am unteren Ende des Korsetts befestigt und ein Mieder angelegt, das sie vor langen Zeiten in Walpole gestrickt hatte. Dann kamen die Beinkleider. Und als sie so von unten her wohlverwahrt war, schlüpfte Jerusha in einen wollenen Unterrock, dann in einen gestärkten Leinenunterrock und schließlich in einen Batistunterrock. Eine kleine Turnüre kam hinzu, und dann zog Jerusha ein Reifrockkleid aus feinem dunklem Tuch an.
Nun warf sie sich noch ein kostbares schottisches Wolltuch um die Schultern und setzte einen hübschen Damenhut auf, hängte sich eine gehäkelte Handtasche an den Arm und stopfte ein Schnupftuch in die eine Manschette. Dann zog sie ein seidenes und ein wollenes Paar Handschuhe an und schlüpfte in den Mantel, den ihr Amanda Whipple hinhielt. Sie war für den Gottesdienst bereit, und nachdem sie den anderen Frauen in ihre Mäntel geholfen hatte, stieg sie zur Luke hinauf und erschien auf Deck.
Jetzt brachen goldene Tage an - unvergeßliche Tage, an denen die THETIS unter der südlichen Sonne mit vollen Segeln dahinfuhr. Delphine umspielten sie auf ihrer Jagd nach glitzernden fliegenden Fischen. Die kleine Brigg war auf ihrem Weg von Kap Hoorn nach Hawaii, und langsam wich die häßliche antarktische Kälte den wärmeren Breiten. Die neuen Sterne des Feuerlandes verschwanden, und die vertrauten Sternbilder aus Neu-England nahmen wieder ihren Platz ein. Nun bildeten sich auch in der Missionarsfamilie einzelne festorganisierte Gruppen. Einige, die vergessen hatten, wie krank sie gewesen waren, und wie Abner allein für die Familie gesorgt hatte, protestierten gegen seinen Führungsanspruch, und eine scharfzüngige Frau meinte sogar: »Man könnte denken, daß er der Gesalbte des Herrn ist.« Aber ihr Mann brachte sie zum Schweigen: »Einer muß schließlich die Entscheidungen treffen -auch in einer Familie.«
Als sie sich dem Äquator näherten, wurden die Unterrichtsstunden, die Abner eingerichtet hatte, ernster genommen. Die Vormittage vergingen in Gruppendiskussionen über Waylands MORALPHILOSOPHIE und Alexanders ZEUGNISSE DER CHRISTENHEIT. Keoki Kanakoa berichtete über die Zustände auf den Inseln, und als er einmal mit Entrüstung ausrief: »In Hawaii ist den Frauen unter Todesstrafe verboten, Bananen zu essen!«, verdarb ihm Jerusha die Pointe, indem sie vernehmlich flüsterte: »Das nenne ich kein sehr hartes Gebot.« Aber der feierlichste Augenblick in jeder Versammlung kam, wenn eine Frau den von allen so geliebten Choral >Gesegnet sei das Band< anstimmte; denn die Missionsfamilie war in dieser Zeit so fest in einer christlichen Brüderlichkeit verbunden, wie man sie kaum noch einmal auf dieser Welt finden wird.
Da der Pazifik ruhig blieb und sich die täglichen Spaziergänge freundlicher gestalteten, verschwanden bald Seekrankheit und Verstopfung. Dafür griff eine neue Krankheit um sich. Am frühen Morgen wurden einige der Frauen von einer plötzlichen Übelkeit befallen und mußten sich übergeben. Dr. Whipple stellte bald fest, daß von den elf Frauen an Bord der THETIS mindestens sieben, wenn nicht sogar neun Frauen schwanger waren, und er war stolz, daß seine eigne Frau die erste war, die offen zugab, daß sie wie sie sich ausdrückte - >einen kleinen Boten vom Himmel< erwartete. Ihr humorvoller Mann verwirrte die anderen Missionare dadurch, daß er ein wenig unverständlich hinzufügte: »Das ist nicht erstaunlich, da ich sie schon seit ihrem siebten Jahr kenne.«
Jerusha gehörte zu den letzten, die schwanger wurden. Sie war in fast unmissionarischer Weise glücklich darüber. »Es ist ein großer Trost für mich, Abner«, sagte sie, »wenn ich daran denke, daß ich in dem neuen Land Mutter sein soll. Es ist ein schönes Symbol - als wären wir dazu ausersehen, große Dinge zu vollenden auf Hawaii.« Abner war wie alle anderen
Missionare sehr verwirrt, denn auch er wußte nichts über das Gebären von Kindern. Dann machten sie eine erschreckende Entdeckung: Von den elf Frauen auf der THETIS hatte keine vorher ein Kind zur Welt gebracht oder bei einer Geburt geholfen. So wurde Dr. Whipple
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