Hawaii
für immer niedergestreckt würde.
So erfüllte sie unter der strahlenden Sonne, in dem Gischt, der sie umsprühte, und bei dem Schrei der Seevögel, für Augenblicke eine unbändige Freude, als sie ihr beflügeltes Kanu, dem nichts gleichkam auf dem Meer, mit einer Sicherheit vorantrieben, wie nur die tüchtigsten Männer sie je erfahren. Das Kanu reagierte auf alle ihre Absichten, schoß vorwärts, wenn sie sich in die Riemen legten; und jetzt, da sie es mitten auf dem offenen, jauchzenden Ozean drehten, hielt es auf den Zentimeter genau den Kurs, erreichte abermals die Öffnung im Riff und kehrte schließlich zum Land zurück. Wie meisterhaft hatten die Männer dieser Insel ihr Kanu gebaut und wie sicher gehorchte es ihrem Willen.
Bei einbrechender Dämmerung bot WARTET-AUF-DEN-WESTWIND einen anderen Anblick. Die geschwungenen Hecks waren mit Blumen und Fähnchen aus gelber Tapa geschmückt. Auf der Plattform, die die beiden Rümpfe zusammenhielt, lagen polierte Planken. Am vorderen Ende stand das Heiligtum, ein grasgedeckter Tempel, auf den sich jetzt eine
Schar Priester in tödlichem Schweigen und in feierlichen Gewändern zubewegte. Der Hohepriester, der ein weißes Gewand mit einem Saum von Haifischzähnen um die Knöchel trug und eine Mütze aus roten Federn aufgesetzt hatte, schritt langsam auf den Grastempel zu und blieb davor stehen. Alle Bewohner von Bora Bora, König wie Sklave, fielen zu Boden und verbargen ihre Gesichter, denn was nun geschah, war zu heilig, als daß selbst ein König es sehen durfte.
Die mit Federn besetzte Statue Oros sollte für die Überfahrt nach Havaiki in das Innere des Tempels gebracht werden. Der Hohepriester zog unter seinem weißen Gewand ein Bündel aus Bananenblättern hervor, das den Gott verbarg, hielt es über sich empor, betete mit furchterregender Stimme, kniete nieder und stellte den Gott in den Tempel. Er trat zurück, klopfte mit seinem Stab auf und rief: »WARTET-AUF-DEN-WESTWIND, bring deinen Gott sicher nach Havaiki!«
Die niedergeworfene Menge erhob sich, niemand sprach, und die Ruderer nahmen ihren Platz ein. Dann traten die Seher der Insel, alte weise Männer, in feierlichen braunen Tapa-Gewändern und Mützen, die mit Hundezähnen besetzt waren, auf die Plattform. Einige trugen Kürbisse, an denen sie drohende Gefahren vorhersahen, während andere in der sinkenden Sonne nach Vorzeichen suchten, die sie niemanden mitteilten. Teroro, der gelb gekleidet war und einen Kriegshelm aus Federn und Haifischzähnen trug, nahm seinen Platz im Bug des Kanus ein, während der König in seinem kostbaren langen Gewand in der Mitte des Schiffes blieb. Ein Schweigen trat ein, und der Hohepriester verkündete, daß er bereit sei, die Opfer entgegenzunehmen.
Tempeldiener des Oro traten mit Palmblättern vor, die sie in einem bestimmten Muster hinter dem Tempel ausbreiteten, und auf diesen wurden die seltsamen Gaben niedergelegt: ein großer Lagunenfisch, ein Hai, der auf hoher See gefangen worden war, eine Schildkröte von einer bestimmten Insel, und ein Schwein, das von Geburt an für Oro bestimmt gewesen war. Diese vier toten Opfer wurden - im Abstand von je einem halben Meter nebeneinander gelegt und sogleich mit Blättern bedeckt. Im letzten Augenblick führten die Priester die acht menschlichen Opfer vor, und die Leute von Bora Bora verharrten in schrecklichem Schweigen, als ihre Nachbarn zum letztenmal von der Insel schieden. Sie sahen den Steuermann, der ertappt worden war, wie er zu dem alten Gott Tane betete, den Mann, der im Tempel eingenickt war, den säumigen Späher und den schläfrigen Höfling.
Dann folgten die vier Sklaven, jene unsäglichen, unberührbaren Geschöpfe, die schon bei Lebzeiten als faule Kadaver betrachtet wurden. Als die vorbestimmten Opfer auf das Schiff geschoben wurden, stieß die Frau eines der Sklaven -wenn man sie überhaupt so nennen konnte - einen durchdringenden Schrei aus. »Auweh! Auweh!« jammerte sie, dieses Wort, das von den Bewohnern der Insel nur in den Augenblicken äußersten Schmerzes ausgesprochen wurde.
Ihr Schrei war ein so abscheulicher Verstoß gegen die Disziplin, besonders für einen Sklaven, daß alle auf dem Kanu bei diesem bösen Zeichen unter schlimmen Vorahnungen zusammenzuckten. Teroro dachte: jetzt ist unsere Insel wahrlich geschändet. Sicher wird der König geopfert. - König Tamatoa dachte: Der Hohepriester hat ein Recht, erzürnt zu sein. Mein Bruder ist verloren. - Die dreißig Ruderer dachten: Sie
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