Hawaii
schicken werden«, flüsterte Tamatoa.
»Wir haben ihnen früher standgehalten, wir werden auch morgen standhalten.«
»Früher kamen sie mit Kanus und Speeren. Jetzt schmieden sie Pläne und machen Verschwörungen. Ich habe wenig Hoffnung.«
»Fürchtest du dich?« fragte Teroro offen.
»Ja«, bekannte der König. »Neue Ideen sind aufgekommen, und ich verstehe sie nicht. Wie konnte es dem Hohepriester nur gelingen, unser ganzes Volk in die Gewalt zu bekommen?«
»Neue Götter sind beliebt, denke ich«, warf Teroro ein. »Wenn unser Volk viele Opfer sieht, glaubt es, die Götter erhörten seine Gebete. Die Insel fühlt sich sicherer dadurch.«
Der König betrachtete einen Augenblick lang seinen Bruder, dann fragte er vorsichtig: »Wäre es nicht möglich, daß du dich zu den neuen Göttern bekennst?«
»Nein, unmöglich«, erwiderte Teroro kurz. »Ich wurde mit dem Segen Tanes geboren. Mein Vater starb für Tane und auch mein Großvater. Ich werde nie einen anderen Gott anerkennen.«
Der König seufzte tief und sagte: »So denke ich auch. Aber ich fürchte, der Hohepriester wird uns vernichten, Teroro.«
»Wie soll er denn?« fragte der ungestüme junge Krieger.
»Mit List und Tücke und Schlauheit.«
»Ich will ihn schon überlisten!« rief Teroro grimmig. Er schlug sich auf die Knie und murmelte: »Und will seinen Kopf in Kokosmus verwandeln.«
»Eben deshalb sollst du nicht mit auf die Versammlung«, sagte Tamatoa. Teroro stand demütig vor seinem König, doch waren seine Worte störrisch: »Geliebter Bruder, eben deshalb muß ich hin.« Und während er sich abwandte und auf den Matten des Palastes umherging, sagte er prophetisch: »Der Hohepriester wird uns nicht vernichten. Wenn wir untergehen, wird auch er untergehen. Die ganze Insel wird untergehen. Bruder, ich habe unserem Vater geschworen, daß ich dich beschützen werde. Aber ich will dir versprechen, daß ich mich nur erhebe, wenn sie dich ergreifen.«
»Sie werden nicht mich ergreifen, Teroro, sondern dich.«
»Dann sollen sie es nur mit der Geschwindigkeit eines hungrigen Haifischs tun«, sagte Teroro lachend und trat in den hellen Mittag hinaus. Die Sonne strahlte am Himmel, sickerte durch die Palmwedel und das Laub der Brotfruchtbäume und zeichnete sanfte Muster in den Staub. Nackte Kinder riefen sich bei ihren Spielen zu und Fischer zerrten ihre Kanus an Land. Der einschläfernde, mittägliche Dunst aus Sonnenglast und Staub senkte sich auf die Insel.
Wie friedlich dieser Augenblick war, wenn die Sonne im Zenit stand und keinen Schatten warf. Fliegen summten, und alte Frauen schliefen. Langsam bewegte sich Teroro unter der schönen, staubigen Hitze zu der Stelle, wo das große Staatskanu von Bora Bora lag, und während er dorthin ging, rief er: »Zu Wasser! Zu Wasser!«
Aus verschiedenen Grashütten entlang der Lagune traten Männer, schürzten sich schläfrig mit dem Tapa-Tuch und schluckten die letzten Kokosstücke hinunter. »Ruft den Priester, um das Kanu zu segnen«, befahl Teroro, und bald waren vier heilige Männer zur Stelle. Gesichter strahlten, denn keine Verrichtung auf der Insel bereitete so viel Freude wie das Einsetzen des Staatskanus in sein angestammtes Element. Die Palmwedel, die den langen Verschlag gegen das Meer hin abgeschlossen hatten, wurden entfernt und die zwei Rümpfe des riesigen Kanus vorsichtig zu Wasser gelassen. Dann trat ein würdiger alter Priester, der Tupuna hieß und dessen langes weißes Haar mit Holzstäbchen zu einer hohen Frisur aufgesteckt war, vor, teilte seinen Bart, blickte über die Lagune und das offene Meer jenseits des Riffs und rief:
»Ta'aroa, Gott der dunklen, rauschenden See, Ta'aroa, Herr der Stürme und der stillen Wasser, Ta'aroa, nimm WARTET-AUF-DEN-WESTWIND an dein Herz, Trage es nach Havaiki, nach Moorea und Nuku Hiva, Zu der schwarzschimmernden Straße Ta'aroas, Zu der schwarzschimmernden Straße Tanes, Zu der Straße der Spinne, Zu der vielbereisten Straße Ta'aroas, Gott der dunklen, rauschenden See, Nimm als Gabe dies Kanu.«
Schweigend und in religiöser Erregung zog Teroro den letzten Stützpfahl fort, der das ruhmreiche Kanu noch am Lande hielt, und gemächlich begann es, die Lagune zu kosten, sein hochgezogenes Heck in die sanften Wellen zu tauchen und schließlich auf Ta'aroas Leib zu ruhen, der seine Heimstatt war. Die jungen Häuptlinge, die heute abend das Kanu paddeln sollten, sprangen in die beiden Schiffsrümpfe und richteten sich die beweglichen Rudersitze
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