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Hawaii

Hawaii

Titel: Hawaii Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Michener
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in der Dämmerung und wußte nicht, was er mit dem Kind anfangen sollte. Schließlich ging er hinaus und gab es einer Frau, die die Eingeborenen schon seit vierundzwanzig Stunden bereithielten, weil sie sicher waren, daß sie gebraucht würde. Und diese Frau legte das Kind an ihre Brust. Die erste Wehfrau sagte: »Er sollte auf die Mutter achten.« Die zweite fügte hinzu: »Ob er ihr wohl den Leib massiert und ihr damit hilft, die Nachgeburt hinauszubefördern?«
    Die erste fragte: »Meint Ihr, daß er diese Kräuter will?« Und sie zog ein Gebräu hervor, das ihr Volk schon seit zweitausend Jahren verwandte, um Blutungen zu stillen.
    Aber die zweite antwortete: »Er wird sie nicht wollen.« In der Hütte durchblätterte Abner wieder fieberhaft sein Buch, um sich zu vergewissern, was er als nächstes tun mußte. Er reinigte das Bett, wusch die Mutter, horchte auf ihren Atem und erkannte zu seinem Schrecken, daß irgend etwas geschehen war, was nicht in seinem Buch stand. »Bruder Abraham!« rief er besorgt. »Was ist?« fragte der kranke Ehemann. »Ich fürchte, daß sie mehr blutet, als sie sollte.«
    Bruder Abraham wußte nichts. Aber während er schnell in sein Buch sah und vergeblich versuchte, jene Weisheit zu erhaschen, die ein Leben retten konnte, wurde Schwester Urania auf ihrem Lager schwächer und schwächer. Der lange Tagesmarsch und die Anstrengung der Nacht forderten unerbittlich ihren Tribut, und ihr Gesicht wurde grau, »Sie sollte nicht so fest schlafen«, rief Abner verzweifelt. »Was können wir tun?« jammerte Hewlett. »Oh, Gott! Laß sie jetzt nicht sterben!«
    Draußen sagten die Hebammen: »Sie sollten ihr den Leib massieren, aber statt dessen scheinen sie sich zu unterhalten.« Und langsam wurde der Eingeborenenmenge, die die Nacht über gewacht hatte, klar, daß die schwache weiße Frau sterben mußte. Die Gewißheit durchdrang sie wie die Strahlen der
    Morgensonne, die durch die Kokospalmen schimmerten. Und die Eingeborenen, für die die Geburt ein Mysterium war, weinten schon, ehe die Missionare wußten, daß Urania sich verblutet hatte. Als die Missionare später erschöpft unter einem Kou-Baum saßen, sagte Abner betrübt: »Bruder Abraham, ich habe alles getan, was ich konnte, um Eure Frau zu retten.«
    »Es war der Wille Gottes«, murmelte Hewlett.
    »Und doch«, rief Abner und schlug mit der Faust auf sein medizinisches Buch, »muß hier etwas darüber gestanden haben, was uns entgangen ist.«
    »Es war der Wille Gottes«, beharrte Hewlett.
    Die Eingeborenen, die sie beobachteten, sagten unter sich: »Wie seltsam die Weißen alles anpacken.«
    »Sie sind so klug mit all ihrem Lesen, ihren Kanonen und ihrem neuen Gott«, fügte eine alte Frau hinzu, »daß man von ihnen erwarten sollte, eine bessere Entbindungsmethode als diese gefunden zu haben.«
    »Das merkwürdigste aber ist«, meinte eine andere, »daß in Amerika Männer die Arbeit von Frauen verrichten.« Aber dann fügte die kritischere der Wehfrauen hinzu: »Immerhin bringen sie schöne Kinder zur Welt.« Nach der Beerdigung Uranias - sie war eine der vielen Missionarsfrauen, die im Kindbett oder aus physischer Erschöpfung und Überbeanspruchung starben -vereinbarte Abner mit den Eingeborenen, daß sie für Abraham Hewlett, seinen neugeborenen Sohn und dessen Amme während der nächsten beiden Monate sorgen sollten, bis die schwierige Rückreise nach Hana am äußersten Ende Mauis möglich war. Als das erledigt war, machte sich Abner mit seinem Boten wieder auf den steilen Weg nach Hause. Aber sie waren noch nicht weit gekommen, als sie eine Stimme hörten, die ihnen etwas nachrief. Es war Bruder Abraham, der sie bat, sein Kind mitzunehmen.
    »In Lahaina wird es Leute geben, die für den Jungen sorgen
    können«, versuchte er verzweifelt Abner zu überreden.
    »Nein.« Abner wies das Ansinnen schroff zurück. »Es wäre unnatürlich.«
    »Was soll ich mit dem Jungen anfangen?« flehte Bruder Abraham. Eine solche Frage war Abner verhaßt und er erwiderte: »Bruder Abraham, Ihr werdet für ihn sorgen und ihn zu einem starken Mann erziehen.«
    »Ich bin unerfahren in diesen Dingen«, jammerte Bruder Abraham. »Schweigt!« rief Abner streng. »Es ist Eure Pflicht zu lernen.« Er drehte den gequälten Missionar herum und schickte ihn zurück nach Wailuku und zu der Verantwortung für sein Kind. Als der ungeschickte Mann gegangen war, bemerkte Abner entrüstet zu seinem Begleiter, der nichts verstand: »Ich glaube, wenn er mehr Mut

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