Hawaii
Morgen sah er zwei Frauen, die neben WESTWIND standen. Aber das Kanu hatte keinen Mast, an dem man ein Segel hätte aufziehen können. Er erwachte in Angstschweiß, schüttelte heftig den Kopf und erkannte, daß die beiden Frauen nur Malama und Tehani gewesen waren, und daß sie neben dem Kanu standen, bedeutete nur, daß beide mit ihm in den Norden ziehen wollten. So weckte er Malama und erklärte ihr: »Der König erlaubt nur, daß eine Frau mitkommt, Malama. Und er besteht darauf, daß ich eine jüngere mitnehme.«
»Ich verstehe«, sagte sie trübsinnig.
»Es ist nicht so, daß ich deiner überdrüssig wäre«, flüsterte er.
»Tupuna hat es mir erklärt«, antwortete sie.
»Und du siehst es ein?« flehte er.
»Ich sehe ein, daß ich dir keine Kinder geschenkt habe.«
»Du warst eine gute Frau, Malama, aber der König...« Er sank wieder in Schlaf. Noch ehe die Vögel erwachten, träumte ihm abermals, und er sah sein Kanu ohne Mast, und diesmal sprachen die beiden Frauen. Malama rief mit tiefer Stimme: »Ich bin Tane!« und Tehani sang trällernd: »Ich Ta'aroa!«
Teroro erwachte zitternd und rief: »Warum sprechen die Götter in einer solchen Nacht zu mir?« Lange versuchte er den Traum zu entziffern, denn er wußte, daß vor einer Reise jeder Traum etwas bedeutete; aber er konnte den Schlüssel dazu nicht finden. So stand er bei Tagesgrauen auf und rannte, während der Regen über die Insel peitschte, fast nackt in die Hütte des alten
Tupuna.
»Was haben solche Träume zu bedeuten?« bat er.
»Klangen die Stimmen wie die von Göttern?« fragte der bärtige alte Mann. »Nein, es waren Frauenstimmen und doch... Tanes Stimme war tief, wie es sich gehört, und Ta'aroas Stimme hoch und durchdringend wie seine Stimme im Sturm.«
Der alte Priester saß da und sammelte sein Wissen, während er dem tosenden Sturm lauschte, der sie mit auf den Weg nehmen sollte. Schließlich verkündete er: »Dieser Traum ist klar, Teroro. Tane und Ta'aroa sprechen am machtvollsten, wenn sie im Wind sprechen. Du mußt ihnen gehorchen.«
»Was verlangen sie von mir?«
»Auf deinem Traum-Kanu war kein Mast und kein Segel?«
»Keins von beiden.«
»Dann ist es einfach. Die Götter wünschen, daß du den einen Mast entfernst und statt dessen zwei Masten errichtest, einen in jedem Rumpf.« Das war eine so einleuchtende Erklärung, daß Teroro lachen mußte. »Ich habe schon solche Kanus gesehen. Eines kam aus dem Süden und fuhr nach Nuku Hiva.«
»Das ist verständlich«, erklärte Tupuna. »Wenn Tane, der das Land regiert, und Ta'aroa, der das Meer beherrscht, im Einklang miteinander zu einem Seemann reden, so müssen sie sich auf das Element beziehen, in dem sie beide wohnen, den Wind. Sie wollen, daß du zwei Segel setzt, damit du den Wind besser fassen kannst!«
»Das will ich tun«, sagte Teroro und rief seine Leute
zusammen. Obwohl der Aufbruch nicht mehr fern sein konnte,
kappte er den Mast, fand einen dazu passenden Stamm und richtete einen im rechten Rumpf auf, den er Tane taufte, und den andern im linken Rumpf, den er Ta'aroa nannte. Dann versteifte er jeden Mast mit Wanten, so daß ein Mann bei
hereinbrechender Nacht an ihnen auch bis zur Spitze hochklettern konnte, ohne ihn zu lockern.
Es wäre unausdenkbar, daß ein Seemann nicht den Auftrag seiner Götter befolgte.
In der dritten Sturmnacht war der König mit einem Traum an der Reihe. Ihm zeigte sich ein furchtbares Gesicht: zwei Planeten kämpften abends am westlichen Himmel mit der untergehenden Sonne und stießen sie aus dem Himmel, woraufhin der eine ängstlich nach Osten und Westen wanderte, während der andere zwischen Süden und Norden hin und her lief. Dieser Traum war so geheimnisvoll, daß der König sogleich seinen Onkel aufsuchte, sich mitten in der Nacht vor ihm hinlegte und um Rat bat. »Bedeutet der Traum, daß wir verloren sind?« fragte Tamatoa bekümmert. »Welcher der beiden Wandelsterne suchte in östlicher und westlicher Richtung?« fragte Tupuna. »Der große Abendstern.«
»Und sie suchten beide?«
»Wie Hunde, die den Strand durchkämmen, oder eine Frau, die ein verlorenes Stück Tapa sucht.«
»Das ist kein gutes Omen«, sagte Tupuna ernst.
»Kann es bedeuten..« begann der König, aber die Vorstellung war zu ahnungsvoll, als daß er sie in Worte hätte fassen können.
»Mißlingen?« fragte Tupuna geradezu. »Du meinst, es könnte besagen, daß unser
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