Hawaii
auf, erfülle ihn mit Liebe.« Aber im letzten Augenblick wurde sie von einem unerwarteten Ereignis beiseite gedrängt. Der Hohepriester kam mit einem großen Gefolge zur Abfahrtstelle herab. Er ging auf das Schiff zu und rief: »Der große Oro wünscht euch eine sichere Reise.«
Er faßte den Bugsprit, kletterte an Bord und hielt sich dabei an dem Mast, der Tane getauft war, fest. Dann kniete er vor dem Gotteshaus nieder, schob die Grastüre beiseite und stellte eine geweihte Statue Oros hinein, die er selbst aus heiligen Schnüren gewickelt und mit Federn bekleidet hatte. Mit beschwörender Stimme rief er in den Sturm: »Großer Gott, segne dieses Kanu!« Und als er wieder den Strand betrat, sah Teroro, daß ein Lächeln großer Erleichterung auf dem Gesicht seiner neuen Frau Tehani lag. Sie war bereit gewesen, auch mit fremden Göttern auf die Reise über das Meer zu gehen. Aber jetzt, da Oro mit ihnen war, wußte sie, daß die Reise ein Ziel haben würde.
Und so fuhr das Doppelkanu WARTET-AUF-DEN-WESTWIND schwerbeladen und ächzend, mit Sklaven und einem König, mit Schweinen und widersprechenden Göttern, mit Hoffnung und Furcht, dem Ungewissen entgegen. Am Bug stand Teroro, der zu Unrecht >der Weise< hieß. Aber in diesem bedeutungsschweren Augenblick war er weise genug, nicht nach Bora Bora zurückzuschauen. Es wäre ein schlechtes Omen gewesen, aber auch Torheit, denn dann hätte er Malama gesehen, und ihren Anblick konnte er nicht ertragen.
Als WESTWIND das Riff erreichte und über den letzten Streifen leicht schiffbaren Gewässers fuhr, durchlebten alle einen Augenblick entsetzlicher Furcht, denn jenseits der Korallen heulte der Sturm und wühlte die Wellen über ungeheuren Tiefen auf. Mato, der erste Ruderer des linken
Schiffsteils, flüsterte vor Entsetzen: »Großer Tane! Was für Wellen!« Aber mit wunderbarer Kraft führte er die Ruderer in einem schnellen Rhythmus, der sie gerade in das Herz des Sturmes trug. Das Kanu wurde hoch emporgehoben auf die wütenden Wogen, verharrte einen Moment lang zitternd und mit pfeifenden Wanten und schoß dann hinab, tief hinab in das Wellental. Gischt übersprühte alle Köpfe, und die beiden Hälften drohten auseinanderzubrechen. Die Schweine quiekten vor Angst, und die Hunde heulten, und die Frauen dachten in dem überschwemmten Grashaus: Das ist der Tod. Aber sogleich durchschnitt das Kanu die Wellen, fing sich und jagte dann hoch auf der Dünung des Ozeans dahin, fort von der lieblichen Lagune und weiter auf seinem Weg ins Nichts.
Bei solchem Wetter führte König Tamatoa seine Leute ins Exil. Sie brachen nicht im Triumph und mit fliegenden Fahnen auf. Sie flohen bei Nacht, ohne daß die Trommeln gerührt wurden. Sie waren nicht mit Reichtümern und Schmuck versehen, sondern grausam von ihrer Insel vertrieben worden, und ihr Proviant reichte kaum, um sich dürftig zu ernähren. Spätere Zeitalter würden diese Männer als weise und heroisch bezeichnen, als die großen Abenteurer, die nach neuem Land suchten. Aber solche Mythen beruhen auf einem Irrtum, denn kein Mann verläßt den Ort, an dem er lebt, und sucht nach einem fernen Land, wenn er nicht irgendwie versagt hat. Wenn man aber dort versagte und hinausgestoßen wurde, so ist es möglich, daß man später ein wenig klüger sein wird. Es gab jedoch ein vorherrschendes Charaktermerkmal, das dieses besiegte Volk kennzeichnete, als es sich dem Sturm entgegenwarf: es hatte Mut. Nur wenn diese Männer feige gewesen wären, hätten sie ihre Demütigung hinunterschlucken und auf Bora Bora bleiben können. Dazu wäre es aber nie gekommen. Sie flohen zwar im Dämmerschein, aber jeder trug als kostbarsten Besitz einen eignen Gott des Mutes mit sich. Für Teroro war es der mächtige Albatros, der über fernen Meeren schwebt. Für König Tamatoa war es der Wind, der im Sturm zu ihm sprach. Für Tupuna war es der Geist der Lagune, der die Fische brachte. Und für Teura, seine alte, triefäugige Frau, die die Zeichen bewahrte, war es ein Gott von so großer Macht, daß sie kaum wagte, seinen Namen auszusprechen. Aber er folgte ihr auf das Meer, ihr süßer, mächtiger Gott, ihr Rückhalt im Ungewissen. Als sie mit nie dagewesener Geschwindigkeit einen Punkt erreichten, der der nördlichen Küste Havaikis vorgelagert war, kroch Teroro zu Mato hinüber und sagte: »Ich werde dem König sagen, was wir denken. Versprich mir, daß du mich unterstützt.«
»Ich verspreche es dir«, sagte Mato. »Selbst wenn es den Tod
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