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Hawaii

Hawaii

Titel: Hawaii Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Michener
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in den Federn, und der Gott wurde für einen schrecklichen Augenblick in der Luft neben dem Kanu hergetrieben.
    »Auweh!« rief der Priester. »Auweh! Seht, Oro folgt uns!«
    Als König Tamatoa dieses Wunder gewahrte, fiel er auf das Deck nieder und betete. Teroro aber erwachte aus seiner Unentschlossenheit, ergriff einen Speer und schleuderte ihn wütend nach dem Gott. Er traf ihn nicht. Aber der Schaft des Speeres rasierte die Federn ab, und der verstümmelte Gott stürzte in die tosende Tiefe.
    Ruhig wandte er sich an den auf dem Boden liegenden König und sagte: »Ich habe den Gott getötet. Du kannst mit mir tun, was du willst.«
    »Geh auf deinen Posten«, murmelte der König, der vor Furcht wie betäubt war.
    Als Teroro über das Kanu ging, dessen Schreckenslast er verringert hatte, spürte er, wie sein Schiff mit neuer Kraft in den Sturm hinausjagte. Die Verstrebungen sangen ein freundlicheres Lied, und er las von den lächelnden Gesichtern seiner Leute, daß sie jetzt selbstbewußter waren. Aber als er an dem Haus des Gottes vorbeikam und sich erinnerte, wie kraftlos er in dem entscheidenden Augenblick gewesen war, sah er zu Mato hinüber, der trotzig paddelte, um das Kanu vor dem Wind zu halten. Er wollte ihn brüderlich in die Arme schließen, aber nur Matos Schultern waren frei, und die gehörten dem persönlichen Gott, der sich dort niederließ, wenn er einem Krieger Mut einblies. So flüsterte Teroro nur in den Sturm: »Du warst der Tapfere, Mato«, und der starke Ruderer antwortete: »Das Kanu fühlt sich erleichtert.«
    Als er schließlich an seinen Platz zurückkehrte, sah er, daß Tehani, die Tochter Oros, weinte. Er kniete neben ihr nieder und sagte: »Du mußt versuchen, mir zu vergeben, Tehani. Ich habe deinen Vater getötet, und jetzt habe ich auch deinen Gott getötet.« Er nahm ihre Hände und schwor: »Ich will dich nie wieder beleidigen.« Das strahlend schöne Mädchen blickte auf. Sie war der Wurzeln ihres Seins beraubt worden. Sie versuchte zu sprechen; aber sie brachte kein Wort hervor. Doch von nun an umgab Teroro sie mit besonderer Zärtlichkeit.
    In dem Augenblick, da die Kapitäne des Kanus derart erregt waren, verschworen sich Tane und Ta'aroa, ein Zeichen zu geben, das die Erinnerung an das, was eben vorgefallen war, aus allen Herzen vertilgen sollte. Fünfzehn Minuten regnete es in Strömen, dann kam eine starke Brise auf, die die Wolken vor sich herjagte, bis sie sich teilten und die strahlenden Sterne des Himmels für Augenblicke enthüllte.
    Jetzt zeigte sich, wie weise Tupuna gewesen war, den Aufbruch für die Abenddämmerung des ersten Tages im Monat festzusetzen; denn dort am östlichen Himmel erhoben sich, ohne daß der junge Mond sie überstrahlt hätte, die funkelnden SIEBEN KLEINEN AUGEN. Es war ihr erstes dämmriges Erscheinen in diesem Jahr, ihre beruhigende Rückkehr, die anzeigte, daß die Welt mindestens noch zwölf Monate bestehen würde. Mit welcher Freude begrüßten die Reisenden die KLEINEN AUGEN. Aus dem Grashaus traten die Frauen, und ihr Herz füllte sich mit Zufriedenheit. Diejenigen aus der Mannschaft, die das Kanu vor dem Wind halten mußten, fühlten neue Spannkraft in ihren müden Muskeln, und Teroro wußte, daß er den richtigen Kurs hatte.
    Dann, nachdem das Wunder gewährt worden war, zog Tane die Wolken wieder über den Himmel, und der Sturm blies weiter. Aber eine unsägliche Zufriedenheit breitete sich über das Kanu aus, denn endlich hatte sich erwiesen, daß die Reise im Einklang mit den göttlichen Gesetzen stand. Wie süß klang das Brüllen des Windes, der sie weiter führte; wie tröstlich war die Bewegung der Wellen, die sie in das Unbekannte trug; wie sinnvoll war die Welt eingerichtet; wie geordnet und unverrückbar war der Himmel. Auf dem Kanu, diesem abenteuerlichen und unbedeutenden Holzbündel, das durch Tauwerk und menschlichen Willen zusammengehalten wurde, war ein tiefer Friede in alle Herzen eingekehrt, und der Fortschritt der Reise sang lieblich in allen Teilen des Schiffes. Als dann der alte Tupuna auf seinen Posten hinter dem Tempel zurückkroch, rief er Teroro an der Spitze des Schiffes sanft zu: »Der König ist zufrieden. Das Omen zeigt, daß Oro von Ta'aroa aufgefangen und sicher nach Havaiki zurückgetragen wurde. Alles ist gut.« Und das Kanu fuhr weiter.
    Der kritische Augenblick in den vierundzwanzig Stunden eines jeden Tages lag in der halben Stunde vor der Morgendämmerung, denn wenn der Steuermann in dieser

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