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Hawaii

Hawaii

Titel: Hawaii Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Michener
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Zeitspanne nicht den Schimmer irgendeines bekannten Sternes entdeckte und danach seinen Kurs einrichtete, konnte er während eines ganzen Tages nur nach der unverläßlichen Sonne steuern. Denn obwohl Teroro und Tupuna sicherlich meisterhafte Astronomen waren und die Bewegung der Sonne verfolgen konnten, so verstanden sie es jedoch nicht, nach der Sonne ihren eigenen Standpunkt festzustellen. Dazu brauchten sie die Sterne. Ihre Segel an weisungen sagten ihnen, welche Sterne über welchen Inseln kulminierten, und deshalb war, wenn die letzten Minuten der Nacht verstrichen, ohne daß ein Sternbild auftauchte, dies nicht nur ein schlechtes Omen für die Zukunft, sondern bewies auch, daß man sich gegenwärtig in einer schlimmen Lage befand, die zur Katastrophe führen konnte, wenn sie über mehrere Tage andauerte.
    So suchten jetzt zum Beispiel Teroro und sein Onkel, nachdem sie jenen ersten flüchtigen Blick auf die SIEBEN KLEINEN AUGEN hatten tun dürfen, ängstlich nach dem Sternbild DREI IN EINER REIHE, das von anderen Astronomen in fernen Wüsten längst >Gürtel des Orion< getauft worden war, denn nach den Segelanweisungen hingen diese Sterne über Nuku Hiva, der Insel, wo sie ihren Proviant ergänzen wollten. Aber die DREI IN EINER REIHE waren während der ganzen Nachtwache nicht zu sehen, und so wußte Teroro nicht, in welcher Breite er sich befand. Jetzt gingen diese auffälligen Sterne, ohne noch einmal aufzutauchen, hinter Wolken unter, und der Seemann war ratlos.
    Er hatte jedoch auf früheren Fahrten über den Ozean bemerkt, daß in den letzten Augenblicken der Morgendämmerung manche Sterne, als wollten sie den Seeleuten helfen, doch noch die Wolken beiseite stießen, um sich zu zeigen, und Teroro hoffte, daß dafür noch immer Zeit war.
    »DREI IN EINER REIHE werden sich dort zeigen«, bemerkte Tupuna vertrauensvoll, aber Teroro fragte sich, ob die starke Nachtbrise das Kanu nicht weiter nach Norden abgetrieben hatte, als sein Onkel vermutete. »Vielleicht werden sie näher bei jener Wolke dort stehen«, sagte Teroro. Die Meinungsverschiedenheit konnte nicht gelöst werden, da die Wolken unentwegt aus dem Westen daherjagten und der aufgehenden Sonne auf der anderen Seite des Ozeans entgegenzogen. An diesem Tag beflügelte und erfrischte die Morgendämmerung nicht, denn die Sonne kletterte nur widerwillig hinter vielen Wolkenschichten empor, tauchte den Ozean in ein trübes Grau und bewies den Reisenden, daß sie nicht wußten, wo sie waren. Teroro und Tupuna, die alles getan hatten, was sie konnten, sanken bei Anbruch des stürmischen Tages sofort in tiefen Schlaf; und jetzt zeigte die Frau des letzteren, die weißhaarige, alte rotäugige Teura, daß sie nicht umsonst mitgenommen worden war. Sie kletterte aus dem Grashaus, spritzte Seewasser über ihr faltiges Gesicht, rieb sich die entzündeten Augen, warf ihren Kopf zurück und begann die Zeichen zu prüfen. In den fast zwei Dritteln eines Jahrhunderts, die sie mit den Göttern gelebt hatte, war sie hinter viele ihrer Winkelzüge gekommen. Jetzt beobachtete sie, wie Ta'aroa die Wellen bewegte, wie der Gischt flog, wie sich die Wellenkämme brachen und in die Wellentäler zurücksanken. Sie stellte die Farbe des Meeres fest und den Aufbau der
    Grunddünung.
    Im Laufe des Vormittags sah sie einen Landvogel, vielleicht kam er von Bora Bora, der sich über das Meer schwang, und aus seinem Flug las sie ab, wie der Vogel die weitere Dauer des Sturmes abschätzte. Er bestärkte sie in ihrer Ansicht. Ein Stück Rinde, das vor Tagen von Havaiki ins Meer gespült worden war, erschien der alten Frau besonders interessant; denn es zeigte, daß der Ozean eine nördliche Strömung hatte, was sich aus dem Wind nicht ablesen ließ, der mehr nach Nordosten blies.
    Aber vor allem beobachtete die alte Seherin die Sonne, denn obwohl sie sich hinter vielen Wolkenschichten verborgen hielt, war ihre Bewegung über den Himmel den Augen Teuras doch offenbar. »Sternenmänner wie Tupuna und Teroro halten nicht viel von der Sonne«, brummte sie, und als sie ihre Beobachtungen über den Kurs des Kanus neben ihre Deutung anderer Zeichen hielt, schloß sie: »Diese Männer wissen nicht, wo wir sind! Wir sind viel zu weit nördlich von unserem Kurs.«
    Was aber Teura vor allem schätzte, waren jene unerwarteten Botschafter der Götter, die dem Wissenden so viel bedeuten. So flog zum Beispiel ein Albatros, der nicht groß war und sich nicht zu erlegen lohnte, am Kanu vorbei, und sie

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