Hawaii
Sakagawa auf dem winzigen, von Blumen eingefaßten Rasenplatz vor ihrem Haus. Dort sahen sie, wie die strahlend rote, aufgehende Sonne Japans vorüberhuschte. Sobald sie erkannt hatten, wer der Feind war, rief Goro: »Tad! Wir melden uns besser gleich!« Er fuhr in seine Armeeuniform und suchte so schnell wie möglich zu den Schofield-Kasernen zu gelangen, während Tadao und Minoru ihre Uniformen anzogen. Tadao meldete sich in der Universität und Minoru in Punahou. Aber ehe sie aus dem Haus gingen, verbeugten sie sich ehrfürchtig vor ihrem verwirrten Vater.
Kamejiro war von dem Ansturm dieser Ereignisse wie gelähmt. Fassungslos setzte er sich auf die Schwelle seiner Hütte und starrte in den Himmel, wo die Flakwölkchen die Flugzeuge verfolgten. Dreimal sah er die Sonne seiner Heimat über sich hinweghuschen, und einmal sah er auch, wie ein niedrig fliegendes japanisches Flugzeug aus seiner bösen Schnauze ziellos in die Hafenbucht schoß. Er versuchte seine Gedanken auf die Vorgänge und auf die eilige Rückkehr seiner Söhne zur amerikanischen Armee zu konzentrieren. Aber die drohenden Gedanken, die in ihm aufstiegen, kamen nicht zu Wort. Japan mußte in einer verzweifelten Lage sein, um so etwas zu tun. Die Jungen mußten in einer verzweifelten Lage sein, wenn sie so eilig davonliefen, um Amerika zu verteidigen. Weiter kam er nicht. Um elf Uhr stürzte eine Gruppe von elf schwerbewaffneten Geheimpolizisten in das Haus der Sakagawas und verhaftete Kamejiro. »Sakagawa«, sagte einer von ihnen, der japanisch sprach. »Wir haben Euch lange beobachtet. Ihr seid ein Dynamitarbeiter, und Ihr kommt ins Konzentrationslager.«
»Wartet!« protestierte Reiko. »Ihr wißt, wer die Sakagawa-Jungen sind. In Punahou. Was soll dieses Konzentrationslager?«
»Er ist ein Sprengarbeiter, Fräulein Sakagawa. Er hat Geld nach Japan geschickt. Und er hat sich geweigert, Sie zu denationalisieren. Er muß ins Lager.« Die vier Mann zerrten den verwirrten Kamejiro in den bereitstehenden verschlossenen Wagen und fuhren davon, um noch weitere Verdächtige aufzulesen.
Um halb zwölf kam Shigeo auf dem Rad des Telegrafenamtes vorbei, um seiner Familie die erschreckenden Dinge mitzuteilen, die er erlebt hatte. Aber er kam nicht dazu, denn Reikos Bericht, daß ihr Vater in ein Konzentrationslager abtransportiert worden sei, lähmte dem Jungen die Zunge. Dies war Krieg, und er war mit allen anderen Japanern darin verwickelt.
»Paps hat doch sicher nichts Schlimmes getan, oder?« Bruder und Schwester starrten einander an, und Shigeo gab ihrem gemeinsamen Zweifel Ausdruck: »Auf der anderen Seite hat Vater immer nachts die Stadt durchstreift.«
»Shigeo!" rief Reikochan. »Das ist ungerecht!«
»Ich versuche nur so zu denken wie der Geheimdienst«, erklärte Shigeo, um sich zu rechtfertigen.
Sie wurden noch mehr beunruhigt, als Ischii in höchster Aufregung herbeieilte und ihnen die überraschende Nachricht brachte: »Die japanische Armee ist am anderen Ende der Insel gelandet. Sie haben schon Maui und Kauai erobert.«
»Das ist unmöglich!« rief Shigeo. »Ich bin heute morgen überall in Honolulu herumgekommen und habe nichts davon gehört.«
»Du wirst schon sehen!« versicherte ihnen der kleine Mann. »Morgen haben die Japaner die Inseln in Besitz.« Zu ihrer Überraschung schien Ischii von dieser Aussicht sehr erfreut, und Shigeo packte ihn am Arm. »Seien Sie vorsichtig, Herr Ischii, mit dem, was Sie sagen! Der Geheimdienst hat eben Paps verhaftet.«
»Wenn die Japaner gewinnen, ist er der Held«, jauchzte der kleine Mann. »Nun wird niemand mehr so schnell die Japaner verlachen. Wartet nur, was geschieht, wenn die Japaner in Honolulu einmarschieren.« Er drohte ihnen mit dem Finger und
eilte weiter.
»Ich glaube, er hat den Verstand verloren«, sagte Shigeo traurig, als er dem närrischen Mann nachblickte. Als Ischii um die Ecke verschwand, kam eine Patrouille durch Kakaako und verkündete mit einem Lautsprecher: »Alle Japaner stehen unter Hausarrest. Verlaßt nicht die Häuser. Ich wiederhole, verlaßt nicht eure Häuser.«
Shigeo ging zu ihnen hin und sagte: »Ich bin der Sonntagsausträger des Telegrafenamtes.«
Die Männer zögerten einen Augenblick lang, und dann trafen sie jene Entscheidung, die an diesem Tag überall in Hawaii gemacht wurde: Alle Japaner sind Spione und Verräter. Sie müssen in Hausarrest gehalten werden; aber wir kennen diesen Japaner hier, und die Arbeit, der er nachgeht, ist wichtig. Deshalb
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