Hawaii
Konzentrationslagern in Nevada schaffen sollten, geschah etwas Ungewöhnliches, das mehr als alles andere dazu beitrug, die Wunden zu heilen, die der Angriff auf Pearl Harbor hinterlassen hatte. Hoxworth Hale, Frau Hewlett Janders, Frau John Whipple Hoxworth und eine unverheiratete Bibliothekarin, die Lucinda Whipple hieß, gingen einzeln, ohne daß sie sich vorher abgesprochen hätten, in die Gefängnisse, wo die Japaner festgehalten wurden. Da sie die führenden Bürger der Stadt waren, gewährte man ihnen Zutritt. Während sie durch die Zellen gingen, sagten sie zu den Wächtern: »Ich kenne diesen Mann sehr gut. Er kann unmöglich ein Spion sein. Lassen Sie ihn frei.«
Frau Hewlett Janders ging sogar soweit, ihren Mann, den großen Hewie, in seiner blauen Marineuniform mitzubringen, und er identifizierte ein halbes Dutzend ausgezeichneter Bürger, die er schon seit vielen Jahren kannte. »Es ist lächerlich, solche Leute in ein Konzentrationslager zu bringen. Sie sind ebenso gute Amerikaner wie ich.«
»Würden Sie Bürgschaft leisten, wenn wir sie freilassen?« fragte der Mann vom Geheimdienst.
„Für einen Mann wie Ichiro Ogawa bürgen? Ich bin stolz darauf, für ihn Bürgschaft leisten zu können. Komm heraus, Ichiro. Geh wieder an deine Arbeit.«
Mehr als dreihundert japanische Bürger wurden durch den freiwilligen Einsatz der Missionarsnachkommen aus den Gefängnissen gerettet. Nicht weil sie die Japaner besonders mochten oder das kaiserliche Japan weniger fürchteten als ihre Nachbarn, verwandten sie sich für diese Leute, sondern weil sie Christen waren und nicht tatenlos zusehen konnten, wenn unschuldige Menschen mißhandelt wurden. In Kalifornien, wo die eingebildete Gefahr einer Tätigkeit der Fünften Kolonne bei weitem nicht so groß war wie die wirkliche Gefahr, die sie in Hawaii hätte darstellen können, wurden grausame und sinnlose Maßnahmen gegen die Japaner ergriffen, deren sich Amerika immer schämen muß. Familien von äußerster Rechtschaffenheit und Loyalität wurden auseinandergerissen, bestohlen, ihr Privatleben verletzt und ihr Stolz auf die amerikanische Staatsbürgerschaft beleidigt. Zu solchen Dingen kam es in Hawaii nicht. Männer wie Hoxworth Hale und Hewlett Janders hätten solche Maßnahmen nie geduldet. Frauen wie Fräulein Whipple und Frau Hoxworth gingen persönlich durch die Gefängnisse und beschützten die Unschuldigen.
Aber als Hoxworth Hale zu Kamejiro Sakagawas Zelle kam, stand er vor einem schwierigeren Problem, denn Hale konnte den Leuten vom Geheimdienst nicht ohne weiteres versichern: »Ich weiß, daß dieser Mann unschuldig ist.« Hale wußte, daß Kamejiro ein bekannter Sprengarbeiter war, der während des
Streiks auf der Malama-Zucker in Schwierigkeiten geraten war. Er hatte sich ferner beständig geweigert, die japanische Staatsbürgerschaft seiner Kinder zu tilgen. Er hatte sich einige Jahre lang jede Nacht in den Straßen Honolulus herumgetrieben. Und jetzt führte er einen Friseurladen und stellte seine eigene Tochter als Lockmittel für die Matrosen und Soldaten an. Das war die negative Seite. Aber Hale wußte auch etwas anderes: Von allen jungen Japanern in Honolulu waren keine bessere Amerikaner als Kamejiros Söhne. Deshalb ging Hale an der Zelle nicht vorüber, sondern blieb stehen und bat um Erlaubnis, mit Sakagawa sprechen zu dürfen. Als die Zellentür geöffnet wurde, setzte er sich zu Kamejiro und ließ durch den Dolmetscher fragen: »Herr Sakagawa, warum weigern Sie sich, mir zu erlauben, die doppelte Staatsangehörigkeit Ihrer Söhne aufzuheben?« Kamejiros Augen funkelten trotzig auf, aber dann erkannte er, daß er seine Söhne vielleicht nie wiedersah, wenn er nicht jetzt die Wahrheit gestand, und so sagte er sanft: »Versprechen Sie mir, meinen Söhnen nichts davon zu sagen?«
»Ja«, sagte Hale, denn auch er wußte, was Familienprobleme sind. Er wies den Dolmetscher an, dasselbe zu versprechen. »Meine Frau und ich sind nicht verheiratet«, begann Kamejiro. »Aber ich habe die Trauurkunde gesehen!« unterbrach ihn Hale.
«Amerikanisch ja, aber das zählt nicht«, erklärte Kamejiro. »Als ich nach Hiroschimaken um eine Fotobraut schrieb, wurde für mich ein Mädchen ausgesucht. Nach alter japanischer Sitte wurde es mir dort angetraut und ihr Name als der meiner Frau in das Dorfregister eingetragen.«
»Und was ist das Problem?« fragte Hale.
Kamejiro errötete über seinen alten Fehltritt und erklärte: »Als sie hier ankam, mochte
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