Hawaii
Einwirkung des Krieges vollberechtigte Amerikaner wurden. Eine Ironie der Geschichte wollte es, daß die Japaner mit ihrer jahrelangen Bewerbung um die amerikanische Staatsangehörigkeit keinen Erfolg hatten, daß ihnen ihr vorbildliches Verhalten nie zugute gehalten wurde, aber daß ihnen, als die japanische Regierung Pearl Harbor in Schutt und Asche legte und mehr als viertausend Menschen tötete, alles gewährt wurde, worum sie so lange gekämpft hatten. Doch, wie gesagt, möchte ich diese seltsame Geschichte noch für eine Weile zurückhalten.
Abgesehen von der Familie Sakagawa wurden die Nachwirkungen des furchtbaren Bombenangriffs am stärksten in dem ausgedehnten Kee-Hui spürbar. Zwei Tage nach dem Bombenangriff ließ sich Nyuk Tsin von ihrem Enkel Hong Kong durch die Stadt fahren, und als sie die Verwirrung sah, in der sich die weiße Bevölkerung Honolulus befand, erkannte sie, daß das nächste halbe Jahr dem Kee Hui die Möglichkeit beträchtlichen Wachstums bieten würde und daß das Hui, wenn es diese seltene Gelegenheit nicht nutzte, verspielt hatte.
An diesem Abend berief sie ihre Söhne und fähigsten Enkel zu sich. Als das kleine Haus in der Nuuanu zum Brechen voll und die Verdunklungsvorhänge herabgezogen waren, sagte sie: »Überall in Honolulu rüsten sich die Haoles zur Flucht. Asien,
glaubst du, daß die Japaner Hawaii überfallen werden?«
»Nein.«
»Aber warum fliehen dann die Weißen?«
»Vielleicht haben sie bessere Informationen als ich«, antwortete Asien vorsichtig.
»Werden die japanischen Flugzeuge zurückkommen?« drängte Nyuk Tsin. »Ich habe gehört, daß unsere Flugplätze in Wheeler und Hickam zerstört wurden«, berichtete Asien Kee, »aber ein Marineoffizier im Restaurant hat gesagt, daß auch so die feindlichen Flugzeuge das nächste Mal abgewehrt werden könnten.«
Nyuk Tsin dachte eine Weile nach, bohrte ihre faltige, alte Faust in die eingesunkene Wange und strich sich dann über das fast gänzlich ausgefallene Haar. »Hong Kong, meinst du, daß die Japaner zurückkommen werden?«
»Sie werden es vielleicht versuchen, aber ich glaube nicht, daß sie Erfolg haben werden.«
»Hältst du Honolulu für sicher genug, daß wir darin etwas riskieren können?« fragte Nyuk Tsin. »Ich meine, werden die Japaner draußen bleiben?«
»Ja«, sagte Asien.
»Ist das nicht gleichgültig?« fragte Hong Kong. Er war jetzt achtundvierzig Jahre alt, ein strenger, ehrlicher Mann, der bei seinem Vater Afrika Kee die Kunst des Überlebens gelernt hatte. Da ihm eine anständige Ausbildung in Punahou, die seine Anschauungen vielleicht gemildert hätte, verwehrt worden war, hatte er von seinem Vater den sicheren Instinkt für den richtigen Ansatzpunkt seiner Unternehmungen geerbt. Er war in Hawaii bis jetzt noch ziemlich unbekannt, da er es gerne seinen beliebten Onkeln überließ, als sichtbare Führer des großen Kee-Hui in Erscheinung zu treten. Aber Nyuk Tsin, die das Oberhaupt dieses Hui war, wußte, daß sie in Hong Kong einen
Nachfolger gefunden hatte, der ebenso schlau und emsig war wie sie. Als er deshalb einwarf: »Ist das nicht gleichgültig?«, horchte sie auf. »Wenn die Japaner Hawaii erobern«, erklärte Hong Kong, »werden wir als die führenden Chinesen hingerichtet. Darüber brauchen wir uns also keine weiteren Gedanken zu machen. Der Sicherheitsdienst würde uns andererseits nicht erlauben, nach dem Festland zu entkommen. So brauchen wir auch hierüber kein weiteres Wort zu verlieren. Wir müssen bleiben, wo wir sind, müssen darum beten, daß die Japaner nicht den Krieg gewinnen, und schwerer arbeiten als je zuvor.«
Nyuk Tsin hörte zu und ließ dann ihre mageren Hände in den Schoß sinken »Unser Mißgeschick ist unser Glück«, flüsterte sie. »Wir können nicht fliehen, aber die Haoles können es. Wie erschrockene Kaninchen werden sie die Inseln räumen. Und wenn sie gehen, kommen Soldaten und Matrosen mit viel Geld herein. Dann sind wir da. Dieser Krieg wird lange dauern, und wenn wir angestrengt weiterarbeiten, wird unser Hui stärker als je zuvor dastehen.«
»Woran sollen wir arbeiten?« fragte Asien.
»Land«, erwiderte Nyuk Tsin mit der Unerschrockenheit eines Hakka-Bauern, für den es nie genug Land gibt. »Wenn die ängstlichen Haoles davonlaufen, müssen wir alles Land kaufen, das sie zurücklassen!«
»Wir haben nicht genug Geld dafür«, protestierte Hong Kong. »Entschuldigung«, sagte Nyuk Tsin. »Ich habe mich nicht deutlich genug
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