Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hawaii

Hawaii

Titel: Hawaii Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Michener
Vom Netzwerk:
zusehen konnte. Man wußte, daß das Bataillon aus Texas eingekesselt war. Man wußte, daß die Zwei-Zwei-Zwei zu ihrer Entsetzung abgeordnet war, und das tödliche Spiel faszinierte die Presse. Ein Korporal aus Minnesota, der mit den Dreimal-Zwei in Italien gekämpft hatte, erklärte einem Reporter:    »Wenn irgendwer die Männer
    herausbekommen kann, dann sind es die Schlitzaugen.« In den
    Zeitungen Honolulus wurde diese Meldung natürlich unterdrückt; aber die gesamte Bevölkerung, die die fürchterlichen Hindernisse ahnte, gegen die ihre Söhne ankämpften, betete für die Japaner. Am dritten Tag des wahnsinnigen Versuches, den Sperrgürtel zu sprengen, war die Baker-Kompanie überrascht, als sie über eine Anhöhe, die gerade erobert worden war, die vertraute Gestalt Oberst Mark Whipples daherkommen sah. Die Männer kannten die Grundregel des Krieges: »Ein Leutnant führt einen Zug gegen den Feind. Der Hauptmann hält sich zurück und feuert die ganze Kompanie an. Majore und Oberstleutnants wechseln zwischen den Kompanien und dem Hauptquartier hin und her. Und die höheren Stabsoffiziere halten sich ganz aus dem Spiel.« Aber hier kam Oberst Whipple, ein höherer Stabsoffizier aus WestPoint, brach alle Regeln und bewegte sich in vorderster Front. Die Japaner salutierten instinktiv, als er vorüberging. Als er zu Goro kam, sagte er nur: »Wir sollen diesen Gebirgszug dort erklimmen und die Leute aus Texas noch heute herausholen.« Das war ein selbstmörderisches Unterfangen, und niemand wußte das besser als Whipple; aber er hatte den Befehl aus dem Hauptquartier erhalten. »Ich kann meine Leute nicht in ein neues Monte Cassino führen«, hatte er protestiert. »Das wird schlimmer als Cassino«, hatte das Hauptquartier zugegeben. »Aber es muß geschehen.« Whipple hatte salutiert und gesagt: »Dann muß ich meine Jungen selber anführen.« Und hier war er. Sein Eintreffen verlieh den Japanern jenen letzten Mut, dessen sie zu diesem Unternehmen bedurften. Mit fürchterlicher Willensanstrengung erklommen die Zwei-Zwei-Zwei den Höhenzug. Es wurde ein mörderisches Gefecht, und die Deutschen schossen auf die Rettungstruppen wie auf Zielscheiben. Sperrfeuer von verborgenen Geschützen, die schon Wochen zuvor zu diesem Zweck aufgestellt worden waren, prasselte mit verheerender Wirkung auf die DreimalZwei nieder. In einem Augenblick des Wankelmuts dachte
    Goro: Warum müssen wir nur dieses Sperrfeuer durchbrechen? Wir verlieren mehr Leute, als wir zu retten haben. Als ahnte er, welche Fragen seine Truppen beunruhigten und ihren Mut beeinträchtigten, rief Oberst Whipple den Japanern zu: »Manchmal tut man etwas der Geste wegen. Jenseits des Höhenzuges warten sie auf euch.« Aber die Männer der Dreimal-Zwei konnten den häßlichen Gedanken nicht loswerden: Leute aus Texas sind wichtig und müssen gerettet werden. Japaner sind zu verschmerzen. Aber niemand sprach das Wort aus, denn alle wußten, daß sich die Soldaten aus Texas nicht zu bewähren hatten, wohl aber die Japaner.
    Als an diesem neunundzwanzigsten Oktober die Nacht hereinbrach, waren die Japaner noch immer vierhundert Meter von ihrem Ziel entfernt. Sie schliefen m Stehen oder lehnten sich gegen die vereisten Baumstämme. Es gab kein Wasser, keine Nahrungsmittel, keine Wärme. Wenn die Außenposten abgelöst wurden, murmelten sie nur: »Ich kann ebensogut hier bei dir bleiben.« Es gab keine Schlafstätten. Die Männer ächzten, und diejenigen, die kleinere Verwundungen davongetragen hatten, spürten, wie das Blut in ihren Adern pochte. Hunderte waren schon gefallen. In der Morgendämmerung zielte ein Heckenschütze, der sich mit deutscher Gründlichkeit versteckt hatte, in das Feldlager und tötete den Gefreiten Minoru Sakagawa. Einige Minuten wußte Goro nicht, was geschehen war, aber dann schrie Shigeo: »Jesus! Sie haben Minoru getötet!« Als Goro den Schmerzensschrei seines Bruders hörte, rannte er herbei und sah Minoru tot auf dem gefrorenen Boden liegen. Das war zuviel für ihn, und er begann die Besinnung zu verlieren. »Achhhh!« schrie er mit rauhem Kehlton. Zwei seiner Brüder waren unter seinem Kommando gefallen, und der Rest der Truppe schien dem Untergang geweiht. Seine rechte Hand begann zu zittern, während er noch immer sinnlos schrie. Oberst Whipple, der wußte, was geschah, stürzte herzu, und schlug dem jungen
    Leutnant ins Gesicht. »Nicht jetzt, Goro!« befahl er und wiederholte die seltsamen Worte. NICHT JETZT - als wäre es

Weitere Kostenlose Bücher