Hawaii
in Shigeo Sakagawa mündeten. Ein anderer kroch über die Brücke der Aleuten bis nach Massachusetts, wo einer seiner Nachfahren zum Stammvater Hoxworth Hales wurde; während der dritte, weniger mutige Bruder über die gepflegten Straßen Chinas nach Süden zog und mithalf, den Hakka-Stamm zu bilden, wodurch er zum Vorfahren Hong Kong Kees wurde.
Im Grunde sind alle Menschen Brüder, aber über die Generationen hin sind es die Unterschiede, die ins Gewicht fallen, und nicht die Ähnlichkeiten.
In der unerheblichen Bedeutung des Wortes war dieser Kelly Kanakoa, von dem ich gerade gesprochen habe, bereits ein Goldener Mann. Mit seinen einundzwanzig Jahren war er mehr als sechs Fuß groß, wog gute achtzig Kilo und war von kraftstrotzendem Wuchs, mit Muskeln, die im Sonnenlicht spielten, als seien sie mit Kokosnußöl eingerieben. Er hielt sich gerade und hatte ungewöhnlich schöne Gesichtszüge, die sich durch tiefliegende dunkle Augen, ein Bubenlachen und kohlschwarzes Haar auszeichneten, in dem er gern eine Blume trug. Sein Verhalten war durch eine Mischung aus Trägheit und Unverschämtheit gekennzeichnet, und wenn es auch schon mehr als zwei Jahre her war, daß er auf der Hotel-Street zwei Soldaten niedergeschlagen hatte, weil sie ihn Nigger nannten, so schien er doch immer halbwegs zu einer Rauferei bereit. Aber jedesmal, wenn eine Schlägerei drohte, versuchte er ihr auszuweichen: »Warum gleich schlagen mit mir. Ich nicht gern Zank. Lieber gern Blalah und alles in Ordnung.«
Als Kelly jetzt den japanischen Truppen nachblickte, hielt er in seiner rechten Hand die wohlmanikürten Finger einer geschiedenen Frau, die aus Reno nach Honolulu gekommen war, um nach ihrem anstrengenden Scheidungsprozeß hier ihr Gefühlsleben aufzufrischen. Auf der Ranch in Nevada, auf der sie einige Zeit verbracht hatte, hatte ihr eine Frau, die ebenfalls geschieden war, geraten: »Rennie! Wenn du nach Hawaii kommst, mußt du Kelly Kanakoa besuchen. Er ist bezaubernd.« Als dann Rennie aus dem Luxusdampfer MAUNA LOA der H. & H.-Linie an Land gegangen war, hatte sie sogleich die Telefonnummer gewählt, die die Freundin ihr gegeben hatte, und in den Hörer gerufen: »Hallo, Kelly? Maud Clemmens sagte mir, ich soll dich anrufen.«
Er hatte sich gemächlich zur Lagune, dem luxuriösen H. & H.-Hotel aufgemacht, trug sehr enge blaue Hosen, eine weiße Kellnerjacke, von der nur ein Knopf geschlossen war, Sandalen und eine Segelmütze, und hatte sich unterwegs noch eine Blume hinters Ohr gesteckt. Als sie frisch und weiß in einem neuen Badekleid in die eindrucksvolle Hotelhalle herabkam, schätzte er sie mit unverschämten Blicken ab und dachte: Die wird's gleich in der ersten Nacht machen wollen.
In seiner Stelle als Strandjunge, die er durch Zufall erlangt hatte, weil er gern über die Wellen ritt und reichen Damen auf scherzhafte Art gefällig war, hatte er gelernt, bei einer neuen Kundin abzuschätzen, wie lange er brauchte, um mit ihr ms Bett zu gehen. Geschiedene Frauen, fand er, waren am umgänglichsten, weil ihrer Fraulichkeit Gewalt angetan war und sie nun beweisen wollten, daß nicht sie die Schuld am Schiffbruch ihrer Ehen trugen. Kelly brauchte selten mehr als zwei Nächte. Wenn sie ihm das erstemal begegneten, hatten die Frauen natürlich nicht die Absicht, mit ihm zu schlafen, aber -wie er einmal seinen Kameraden am Strand erklärte: »Angenommen, 'ne Wahine kann noch nicht Wellenreiten. Was will se sonst schon anfangen?« Seine Aufgabe, für die er auch bezahlt wurde, war, den geschiedenen Frauen und jungen Witwen das Wellenreiten beizubringen. Zehn Minuten nachdem Rennie mit Kelly zusammengetroffen war, befand sie sich bereits auf ihrer ersten Wellenreitertour weit draußen am Riff, wo sich die großen Brecher bilden. Sie war erregt von der schwingenden Bewegung der See und fühlte, daß sie niemals fähig sein würde, sich aufzurichten und fest auf der Planke zu stehen, während sie auf den Strand zuschoß. Aber sie fühlte, wie Kellys starke Arme sie von hinten umfaßten, und wußte sich geborgen. Als dann die Planke mehr Schwung bekam, ließ sie sich von Kellys Armen emporziehen, bis sie kühn auf dem dahinfliegenden Brett stand. Einen Augenblick lang machte der sprühende Gischt sie blind, aber sie lernte bald, das Kinn hoch in den Wind zu heben und dadurch seine Kraft zu brechen. So raste sie über das Riff, mit einer donnernden Brandung unter ihren Füßen und der prachtvollen Silhouette des Diamond Head vor den
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