Hawaii
regelmäßig aufs Korn. - Tony, war heute jemand von uns bei der Missionshütte?«
»Wir haben uns das heute gespart«, erklärte der Sekretär.
»Diese Leute haben den Verstand verloren«, protestierte Shig.
»Es ist der reine Irrsinn«, gab der Detektiv zu. »Arme Schweine. Sie waren von Japans Unbesiegbarkeit so fest überzeugt, daß sie nun alles glauben, was ihnen diese Demagogen vorsetzen. Aber sie tun keinem Menschen etwas zuleide.«
»Sollte man diese Leute nicht lieber einsperren?« fragte Shig.
»O nein«, lachte der Detektiv. »Wir haben sechs solcher Gruppen in Honolulu, die wir regelmäßig überwachen, und die Japan gewinnt< macht uns am wenigsten Sorge. Eine Gruppe wollte Syngman Rhee ermorden. Eine möchte Tschiang Kaischek ermorden. Eine Gruppe versteht es, alten Frauen mit der Prophezeiung des Weltuntergangs am Ersten des jeweils nächsten Monats ihr Geld abzuluchsen. Letztes Jahr hatten wir ein Paar, das sich auf die Wiederkunft Christi am Anfang des kommenden Monats vorbereitete. Und das ging elf Monate lang. Schließlich kamen sie zu uns und gaben zu, daß vielleicht doch irgend etwas nicht stimmte. Ihre verrückten Japaner sind also nur ein Teil in einem Bild.«
»Aber wie können sie nur glauben... All die Zeitungsberichte und Radiomeldungen? Die Männer, die dort waren?«
»Shig«, sagte der Detektiv und schlug mit der Hand auf den Tisch. »Wie kann man elf Monate hintereinander glauben, daß Christus den Nuuanu Pali herunter käme? Man kann sich einmal täuschen lassen, aber elfmal?!« Als es so weit war, daß Shigeo zu seinem neuen Einsatz unter General MacArthur nach Japan aufbrechen sollte, weinte seine Mutter sehr und sagte: »Wenn sie in Tokyo noch kämpfen bei deiner Ankunft, dann gehe gar nicht erst von deinem Schiff herunter, Shigeo.« Dann besann sie sich aber auf wichtigere Dinge und fuhr fort: »Heirate kein Mädchen aus dem Norden, Shigeo. Wir wollen kein Zu-Zuben in unserer Familie. Und hüte dich vor den Mädchen aus Tokyo. Sie sind kostspielig. Dein Vater und ich wären sehr unglücklich, wenn du ein Kyuschiu-Mädchen heimbrächtest, denn sie vertragen sich nicht mit den Hiroschima-Leuten. Und heirate auf keinen Fall eine Okinawanerin oder irgend jemand, der eine Eta sein könnte. Am besten wird es sein, du nimmst dir ein Hiroschima-Mädchen. Denen kann man trauen. Aber nimm bloß keine aus Hiroschima-Stadt.«
»Ich glaube nicht, daß man die Amerikaner in Hiroschima sehr freundlich empfangen wird«, sagte Shigeo ruhig. »Warum nicht?« fragte seine Mutter erstaunt. »Nach der Bombe?« fragte Shig.
»Shigeo!« erwiderte seine Mutter überrascht, »in Hiroschima ist nichts geschehen! Herr Ischii hat mir versichert... «
Als Shig Sakagawa zu seiner für Tokyo bestimmten Einheit stieß und auf dem Weg zum Hafen durch die Straßen des Geschäftsviertels von Honolulu marschierte, war er - ohne daß er sich dessen bewußt gewesen wäre - ein eindrucksvoller junger Mann. Sein Verstand war im doppelten Kampf gegen die Deutschen und gegen die Vorurteile seiner Heimat geschärft worden. Durch eigene Willenskraft hatte er über jeden Feind triumphiert und eine Tapferkeit bewiesen, wie sie von den wenigsten erwartet werden kann. Niemand achtete damals darauf, denn Shig war erst dreiundzwanzig Jahre alt und hatte noch nicht sein Rechtsanwaltsexamen in Harvard bestanden, aber er stellte die Spitze einer Revolution dar, die über Hawaii hereinbrechen sollte. Er war entschlossen, unverdorben, stark und furchtlos. Wichtiger noch, soweit es um eine Revolution ging: er war begabt und wachsam. Als er durch die Straßen marschierte, kam er - ohne daß einer von beiden es bemerkt hatte - an Hoxworth Hale vorüber, der gerade durch die BishopStreet zum Fort ging. Wenn Hale in diesem Augenblick die Möglichkeit gehabt hätte, die Parade anzuhalten und Shig Sakagawa auf seine Seite zu bringen, dann wäre das Fort gewiß in der Lage gewesen, seine alten Vorrechte auch weiterhin zu wahren. Hätte Hale als Funktionär der republikanischen Partei Shig und fünfzig andere Japaner, die ihm glichen, in die Partei aufgenommen, dann wäre der Republikanismus in Hawaii für alle Zeiten gesichert gewesen, denn mit ihrem Sinn für Tradition und ihrer konservativen Erziehung hätten diese Japaner ideale Republikaner abgegeben. Die Verbindung des geschäftlichen Scharfsinns der Weißen mit dem Eifer der Japaner hätte eine Macht dargestellt, der kein Gegner gewachsen gewesen wäre. Aber es war Hoxworth
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