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Hawaii

Hawaii

Titel: Hawaii Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Michener
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guter Japaner bist, Shigeo, und sag nicht solche Dinge über dein Heimatland.« Daraufhin schrieb Shigeo nur noch Allgemeinheiten, Seine ersten Tage in Japan waren ein überwältigendes Erlebnis, denn das Getriebe in Tokyo erwachte zu neuem Leben. Scharen kleiner Arbeiter, die alle seinem Vater glichen, krochen über die Trümmerfelder und räumten auf. Shig hatte noch nie eine solche nationale Lebensbejahung erlebt und wurde von der unbesiegbaren Spannkraft Japans beeindruckt. An den Straßen begegnete er unzähligen älteren Frauen, die wie seine Mutter aussahen, Hosen trugen und schwerer arbeiteten als die Männer. Fast unter seinem Blick wurde Tokyo aufgeräumt und für ein neues Leben vorbereitet.
    »Ich muß diese Leute bewundern«, schrieb er an seinen Vater, und der alte Kamejiro fand mehr Gefallen an diesem Brief seines Sohns als an jenem verräterischen, in dem er über Japans Niederlage berichtet hatte. Shig war mit großem Eifer bei seiner Dolmetschertätigkeit für einen Harvard-Professor, den General MacArthur hergebracht hatte, um eine Bodenreform auszuarbeiten. Dr. Abernethy war ein erstaunlicher, hagerer Mann mit großem Scharfblick. Obwohl er sich auf das stützen mußte, was Hauptmann Sakagawa ihm von den Berichten der japanischen Bauern übersetzte, so verließ er sich vor allem auf seine eigenen Wahrnehmungen, und zum erstenmal konnte Shig miterleben, wie ein hochentwickelter menschlicher Geist zu seinen Schlüssen gelangte. Ein Reisbauer erklärte Shig: »Ich habe zweihundertundvierzig Tsubo für Reis.« Wenn Shig den Satz Dr. Abernethy übersetzte, hörte dieser anscheinend gar nicht zu, denn er überblickte das Land und schätzte die Produktivität der Felder ab. Und bevor Shig oder der Bauer noch etwas sagen konnte, wußte Dr. Abernethy schon, was das Land wert war. Und wenn das, was Shig übersetzte, seinen Ansichten widersprach, mußte sich Shig mit den Tatsachen abfinden, denn gewöhnlich hatte Abernethy recht.
    Auf den langen Jeep-Fahrten über Land entwickelte Abernethy seine Theorien einer Bodenreform, während Shig den Wagen lenkte. »General MacArthur steht hier einer klassischen mittelalterlichen Form des Grundbesitzes gegenüber, Shig. In jedem Distrikt beherrscht ein halbes Dutzend reicher Männer das Land und teilt es aus, je nachdem es ihren wirtschaftlichen Interessen entspricht. Das ist an sich kein schlechtes System. Bestimmt sehr viel besser als der Kommunismus. Aber problematisch wird es, wenn die persönlichen Interessen, die gewöhnlich willkürlicher Natur sind, den nationalen Interessen zuwiderlaufen.«
    »Zum Beispiel?« fragte Shig, der große Freude daran fand, daß Abernethy mit ihm wie mit einem reifen Erwachsenen sprach. Er ärgerte sich jedesmal, wenn gutmütige Vorgesetzte darauf bestanden, sich mit ihm in Pidgin zu unterhalten.
    »Nun, zum Beispiel, wenn ein Grundbesitzer in einem Distrikt, der mehr Feldfrüchte benötigt, sein Land nicht ausnützt, weil er anderen Spekulationen nachgeht, oder es gar brachliegen läßt.«
    »Kommt so etwas vor?«
    »Sieh dich doch um! Selbst während Japans Existenzkampf hat dieser Grundbesitzer hier sein Land brachliegen lassen. Wenn solche Dinge vorkommen, dann mußt du eine Revolution machen, um dein Land zu retten. Immer in der Geschichte war das die unvermeidliche Folge des Mißbrauchs von Grundbesitz. Glücklicherweise kann eine solche Revolution in zwei Richtungen verlaufen. In Frankreich wurde das Land so sinnlos verwaltet, daß es zur Französischen Revolution kommen mußte, um das verrottete System zu stürzen - mit einem großen Verlust an Menschenleben. Das ist die armseligste Form einer Revolution. In England kam man durch Besteuerung zu demselben Resultat. Nach und nach konnten die Großgrundbesitzer ihr Land einfach nicht mehr halten. Die Grundsteuer war zu hoch. Sie wurden gezwungen zu verkaufen, und soweit ich orientiert bin, ist kein einziges Menschenleben dabei vergeudet worden. Das ist der vernünftigste Weg einer Bodenreform.«
    »Sie meinen, daß Japan demselben Problem gegenübersteht wie Frankreich und England?«
    »Alle Nationen stehen diesem Problem gegenüber«, sagte Abernethy, während sie über eine steinige Straße der Präfektur Schiba fuhren. »Das Verhältnis des Menschen zu seinem Land ist einfach und universal. Jede Nation begann damit, daß das Land gleichmäßig unter die Erzeuger verteilt war. Als Folge überlegener Geistesgaben und Geschäftstüchtigkeit bringen geschickte Grundbesitzer

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