Hawaii
war.
»Du bist ein chinesisches Mädchen!« stammelte ihr Bruder Eddie. »Glaubst du etwa nicht, daß ich während meines Studiums in Harvard viele hübsche Haole-Mädchen kennenlernte? Sogar einige, die ich gern geheiratet hätte? Aber ich tat es nicht, weil ich an die Familie hier in Hawaii dachte. Und du kannst es auch nicht tun.«
»Aber Kelly ist ein gemachter Mann«, wiederholte Judy trotzig. »Er verdient mehr Geld als jeder von euch, und wenn Papa den Trust aufheben kann...«
»Er ist ein Eingeborener«, sagte Mike.
»Glaubst du, daß ich meine liebe Tochter einem Mann gebe, der ein Vokabular von höchstens siebenhundert Wörtern hat und nach jedem zweiten Wort entweder Schester oder Blalah sagt?« fragte Hong Kong. »Kelly ist ein gebildeter Mann«, beharrte Judy. »Gut«, sagte Hong Kong. »Wenn du ihn heiratest...«
»Sprich es nicht aus, Vater«, flehte Judy.
»Wenn du darauf bestehst, der ganzen chinesischen Gemeinde Schande zu bereiten«, begann Hong Kong drohend, »dann wollen wir nichts mehr mit dir zu tun haben. Du bist ein verlorenes Mädchen.«
Die Kees zogen sich offiziell in ihre Betten zurück. Aber im Laufe der Nacht schlich sich einer nach dem andern in Judys Zimmer hinauf und versuchte ihr zu erklären, wie tief die Abneigung der Familie gegen diese Heirat war. »Nicht, weil Kelly nur ein Vokabular von siebenhundert Wörtern hat«, flüsterte eine Schwester, »sondern weil du ein anständiges chinesisches Mädchen bist und er ein Eingeborener.«
»Viele Chinesen haben Eingeborene geheiratet«, erwiderte Judy. »Sieh Leon Choy an.«
»Und jedesmal, wenn es einer tat«, erklärte die Schwester, »waren wir sehr betrübt darüber. Du bist eine Chinesin, Judy. Du kannst es nicht tun.«
»Würdest du ebenso denken, wenn Kelly ein Haole wäre?« fragte Judy. »Genauso«, versicherte ihr die Schwester. »Du bist eine Chinesin. Heirate einen Chinesen.«
Aber Judy war ein sehr störrisches Mädchen, und trotz des Drängens ihrer gesamten Familie verkündete sie eines Morgens, als sie um vier Uhr heimkam, laut: »Herhören! Herhören! Alles aufwachen! Die kostbarste Blume aus dem Reich der Mitte wird sich mit Kelly Kanakoa verheiraten. Und was sagt ihr nun?«
Sie ging trotzig zu Bett und wartete darauf, daß ein Mitglied ihrer Familie nach dem andern in ihr Zimmer trat, um zu sehen, ob sie nüchtern war. Anfangs weigerte sich Hong Kong, an der Hochzeit teilzunehmen, wie es auch viele der führenden chinesischen Familien und die hawaiischen Alii taten, aber Judy sagte tapfer: »Heute abend werden wir in dem Lagunen-Hotel unsere Verlobung bekanntgeben. Und dann werden wir das Hochzeitslied uns zu Ehren singen.« So geschah es, und unter den Touristen erntete diese Hochzeit lauten Beifall, aber unter den gereizten Bürgern von Hawaii wurde sie zu einem Skandal. Im letzten Augenblick entschloß sich Hong Kong, doch noch aus Rücksicht auf Malama Kanakoa an der Feierlichkeit teilzunehmen. Er weigerte sich jedoch, seine Tochter durch das Kirchenschiff zu führen.
Im Fort mußte Hong Kong jedoch entdecken, daß ihn die Schande, die ihm seine Tochter durch ihre eigensinnige Heirat bereitet hatte, seinen Kollegen näherbrachte. Hewlett Janders, dessen Sohn Whip noch immer mit dem Mann von der Luftwaffe in San Francisco lebte, sagte einfach: »Man kennt seine Kinder nie, Hong Kong.« Und Hoxworth Hale, dessen Tochter Noelani noch immer brütend zu Hause saß und darüber nachsann, wie sie eine Scheidung einreichen konnte, ohne Aufsehen zu erregen, klopfte seinem chinesischen Freund auf die Schulter und gestand: »Wir müssen alle einmal durch, aber, bei Gott, ich wünschte, daß es nicht so wäre.«
»Glauben Sie, daß ich recht tat?« fragte Hong Kong, der sich plötzlich danach sehnte, mit einem Menschen zu sprechen.
»Ich würde meine Tochter zur Kirche bringen, gleichgültig, wen sie heiratet«, sagte Hoxworth.
»Ich bin froh, daß ich es tat«, gestand Hong Kong. »Aber ich kann es nicht über mich bringen, sie zu besuchen.«
»Warten Sie, bis das erste Kind da ist«, riet Hoxworth weise. »Das wird Ihnen einen Vorwand bieten, in Ehren einzulenken.« Und Hong Kong gab ihm recht. Aber er fühlte, daß er sich vielleicht nicht über ein Enkelkind freuen konnte, das nur ein halber Chinese war.
Für die Familie Sakagawa brachte das Jahr 1954 Verwirrung und Enttäuschung. Es begann im Januar damit, daß der starrköpfige Kamejiro, dessen Drohung, Amerika zu verlassen, niemand ernstgenommen
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