Hawaii
darauf wartete, daß Akemisan vom Markt kam, wo sie ihren neidischen Freundinnen berichtete, daß sie nach Japan zurückfahren würde. Goros Augen waren rot verweint, und seine Hände zitterten. »Glaubst du, daß alles, wofür wir arbeiten, sinnlos ist, Shig?« fragte er.
»Hör' nicht auf das Mädchen«, erwiderte Shig und setzte sich zu seinem Bruder.
»Aber ich liebe sie. Ich kann sie nicht ziehen lassen.«
»Goro«, sagte Shig ruhig. »Ich liebe Akemisan fast ebensosehr wie du, und wenn sie fortgeht, bricht auch mir das Herz. Aber ich weiß eines. Du und ich, wir arbeiten an einer Sache, die so groß ist, daß Akemisan sie nicht einmal im entferntesten verstehen kann. Warte noch zwanzig Jahre, und wir haben hier in Hawaii ein Wunderland geschaffen.«
Goro wußte, worüber sein Bruder sprach, aber er fragte: »Und in der Zwischenzeit, meinst du, ist es so trübsinnig, wie sie sagt?«
Shig dachte darüber nach, rief sich die Freitagabende in Boston und die aufregenden Diskussionen in den großen Museen ins Gedächtnis zurück.
Dann gestand er: »Hawaii ist ziemlich öde.«
»Dann hat Akemisan also recht?« fragte Goro mit schmerzvoller Stimme.
»Sie ist nicht groß genug, um sich einzugestehen, daß wir im Grunde Bauern sind«, erwiderte Shig.
»Was willst du damit sagen?«fragte Goro aufgebracht. »Wir haben eine gute Erziehung.«
»Aber in unserem Herzen sind wir Bauern«, antwortete Shig. »Alle, die auf diese Inseln kamen, waren ungebildete Bauern. Die Chinesen, die Koreaner, die Portugiesen und jetzt die Filipinos. Wir waren alle ehrlich und fleißig, aber, bei Gott, wir waren eben ein Haufe Hiroschima-Tölpel.« Goro, der von der drohenden Treulosigkeit seiner Frau schon genügend gepeinigt wurde, konnte diesen neuen Hieb nicht ertragen und rief: »Tölpel oder nicht, unsere Leute in den Zuckerrohrfeldern bekommen jetzt anständige Löhne, und unsere Rechtsanwälte werden in die Regierungen gewählt. Ich nenne das schon etwas.«
»Es bedeutet alles«, stimmte Shig ihm zu und legte seinen Arm um die Schulter des Bruders. »Die anderen Dinge, die Akemisan vermißt - die kommen später. Unsere Kinder werden Bücher lesen und Musik hören. Sie werden keine Bauern sein.«
Goro, in dem die Kampfstimmung erwachte, rief: »Teufel, in fünfzig Jahren werden sie Leuten wie dir und mir Denkmäler errichten!« Und dann fielen ihm die Dinge ein, die er seiner Frau sagen wollte, wenn sie zurückkehrte. Aber als sie dann das Haus betrat, sorgsam ihre Getas an der Türe stehenließ und wie eine japanische Edelfrau auf Zehenspitzen durch das Zimmer trippelte, verließ ihn sein Mut, und er flehte nur: »Akemisan, bitte, bitte geh nicht fort.«
Sie ging an ihm vorüber in ihr Zimmer und legte letzte Hand an ihr Gepäck. Als sie dann bereit war, auf das Schiff zu gehen, sagte sie sanft: »Ich laufe dir nicht fort, Gorosan. Du warst gut und lieb zu mir. Aber ein Mädchen hat nur ein Leben, und das meine will ich nicht in Hawaii verbringen.«
»Es wird hier sehr viel besser werden!« versicherte er ihr. In gewähltem Japanisch erklärte das entschlossene Mädchen: »Ich würde hier verwelken.« Und an diesem Nachmittag fuhr sie nach Japan.
Ischii schrieb natürlich einen langen Brief an die Sakagawa in Hiroschimaken, und nachdem der dortige Briefleser Sakagawas Frau den Inhalt mitgeteilt hatte, erhielt Goro von seiner Mutter eine Reihe hocherfreuter Briefe, die wiederum Ischiisan den Jungen vorlesen mußte, da sie zwar Japanisch sprechen, aber nicht lesen konnten. In dem Brief hieß es: »Ich bin so froh, daß die hochmütige junge Dame nach Tokyo zurückgekehrt ist. Es ist besser für alle Beteiligten, Goro, und ich habe mich im Dorf sogleich nach passenden Mädchen umgesehen. Nun habe ich einige gefunden, die bereit wären, nach Amerika zu kommen. Aber du mußt mir ein Bild jüngeren Datums von dir schicken. Auf demjenigen, das ich bei mir trage, siehst du zu jung aus, und die besseren Mädchen fürchten, daß du noch keine gute Anstellung hast. Ich sende dir in diesem Brief die Bilder von drei anständigen Mädchen. Fumikosan ist sehr kräftig und kommt aus einer Familie, die ich schon seit meiner Kindheit kenne. Chiekosan stammt aus einer sehr verläßlichen Familie, und wenn sie geschminkt ist, sieht sie süß aus. Yurisan ist zu kurz, aber sie hat ein weites Herz, und ihre Mutter, die ich schon als Kind kannte, bestätigt mir, daß Yuri die beste Haushälterin ist, die man sich denken kann. Da Shigeo nun eine
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