Hawaii
würde ich heftig von einer großen Hand geschüttelt, die mich endlich zur Vernunft brachte.«
»Gideon!« rief die Mutter. »Esther ist in ein Gefühl der Sünde eingeweiht worden!«
Es hätte für Gideon keine freudigere Botschaft geben können, und so rief er:
»Ist sie in den Stand der Gnade eingetreten?«
»Ja!« rief Hales Frau. »Oh, himmlisches Jerusalem, wieder hat ein Sünder dich gefunden!«
Und die drei Hales knieten im Mondlicht nieder und dankten ihrem strengen Beschützer, der abermals einem Mitglied dieser Familie die Augen geöffnet hatte über die erbarmungslose Last der Sünde, unter der die Menschheit dahinschritt, über die Nähe der unverlöschlichen Flammen, denen neunundneunzig von hundert Geschöpfen verfallen waren, und über den freudlosen, bitteren Pfad der Erlösung.
Nach drei Tagen näherte sich Pastor Thorn einem der freundlichsten Dörfer, die es je in Amerika gegeben hat: dem von Bäumen umsäumten, mit weißen Schindeln gedeckten, sauberen Walpole in der Nähe des Connecticut River im südwestlichen New Hampshire. Es war ein Dorf, das das Herz höher schlagen ließ; denn sein funkelnder Kirchturm war schon von weitem zu sehen, und die sanften Hügel, die es umschlossen, waren fruchtbar. Pastor Thorns älteste Schwester war nach Walpole gezogen, als sie gegen den Willen ihrer Familie den jungen Rechtsanwalt Charles Bromley von Harvard geheiratet hatte, dessen Familie seit Generationen in Walpole lebte. Pastor Thorn war weder mit den Bromleys noch mit ihrem Dorf einverstanden gewesen, denn beiden schien das gute Leben mehr am Herzen zu liegen als die Frömmigkeit; und er näherte sich Walpole nie ohne das bestimmte Gefühl, daß Gott diesen Ort der Wollust eines Tages strafen würde, eine Überzeugung, die sich noch verstärkte, als er am Haus der Bromleys anlangte, einem großen, prächtigen Haus mit drei Stockwerken und vielen Giebeln. Er hörte seine Schwester auf der Hausorgel englische Tänze spielen.
Dann brach der Tanz ab, und eine rotwangige freundliche Frau von vierzig Jahren sprang an die Tür. »Es ist Eliphalet!« rief sie aus. Er wich ihrem Kuß aus und stellte, nachdem er sich vorsichtig umgesehen hatte, befriedigt fest, daß Jerusha nicht zu Hause war.
»Doch, sie ist zu Hause!« erwiderte Abigail. »Sie ist oben. Sie brütet. Sie macht einen ziemlich kläglichen Eindruck. Aber sie will es ja nicht anders, wenn du mich fragst. Sie weigert sich, ihn zu vergessen, und jedesmal, wenn die Zeit von selbst das Problem zu lösen scheint, kommt ein Brief aus Kanton oder Kalifornien, und sie siecht erneut dahin.«
»Hast du nicht daran gedacht, die Briefe abzufangen?« fragte Eliphalet. »Charles würde das nie erlauben. Er besteht darauf, daß das Zimmer, welches jemand in diesem Haus bewohnt, auch dessen Schloß ist. Und fremde Mächte, auch wenn sie korrupt sind, haben das unantastbare Recht, mit diesem Schloß in Verbindung zu stehen.«
Pastor Thorn hätte beinahe gesagt, daß er noch immer nicht verstehen könne, warum der Herr nicht längst Charles Bromley niedergestreckt habe, aber da er das schon seit zweiundzwanzig Jahren nicht fassen konnte, und da sich der Herr hartnäckig weigerte, irgend etwas in dieser Sache zu unternehmen, hielt er seine abgedroschene Bemerkung zurück. Was ihn aber verdroß war die Tatsache, daß der Herr offensichtlich gegen seine Pläne handelte, indem er Bromleys verschiedene Geschäfte blühen ließ. »Nein«, sagte er störrisch, als ihn seine Schwester aufforderte, bei ihnen zu wohnen. »Ich werde im Gasthof absteigen.«
»Warum bist du dann aber so weit hergekommen?« fragte
Abigail. »Weil ich eine Möglichkeit sehe, wie deine Tochter gerettet werden könnte.«
»Jerusha?«
»Ja. Schon dreimal hat sie mir gesagt, daß sie ihr Leben Jesus weihen wolle. Daß sie überall dort arbeiten wolle, wo er sie hinschickt... als eine Missionarin.«
»Eliphalet!« unterbrach ihn seine Schwester. »Das waren die Worte eines jungen Mädchens, das Liebeskummer hat. Als sie das sagte, hatte sie gerade ein Jahr lang nichts von ihm gehört.«
»In den Augenblicken der Kümmernis sprechen wir unsere wahren Gedanken aus«, beharrte Thorn.
»Aber Jerusha hat hier doch alles, was sie braucht, Eliphalet.«
»Sie sehnt sich nach Gott in ihrem Leben, Abigail, und den vermißt sie hier.«
»Aber, Eliphalet! Du willst doch nicht etwa sagen..«
»Hast du je mit ihr die Dinge besprochen, die sie mir anvertraut hat?« drängte Pastor Thorn.
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