Hawkings neues Universum
aus.
Am Anfang war ... ein Ring?
Sogar noch einen Schritt weiter ging Brett McInnes von der Universität Singapur mit seinen kühnen Ideen – und zitiert dabei gerne eine Passage aus der amerikanischen Zeichentrickserie Die Simpsons , in der Stephen Hawking mehrere Gastauftritte hatte (genauer: sein gelbgesichtig gezeichnetes alter ego) und zu Homer Simpson sagte: „Deine Theorie eines ringförmigen Universums ist interessant, Homer. Ich muss sie wohl stehlen.“ Wie Laura Mersini nimmt auch McInnes an, dass ein Multiversum aus zahllosen einzelnen Universen existiert, die voneinander abstammen können oder sich aus einem ursprünglichen Vakuum-Zustand gewissermaßen abnabeln. McInnes spricht hierbei von „guten“ und „schlechten“ Babys – nur die guten starten mit einer niedrigen Entropie und somit einem Zeitpfeil. Dieser kann sich McInnes zufolge freilich nicht spontan bilden – sonst träte wieder Carl Friedrich von Weizsäckers Einwand in Kraft –, sondern muss ererbt sein, egal wie viele Generationen von Universen eventuell vorher schon existiert haben. „Die Inflation erschafft keinen Zeitpfeil, sondern setzt ihn voraus.“
Doch der aus Australien stammende Physiker hat eine verblüffende Entdeckung gemacht: In der Mathematik existiert genau eine Klasse von Gebilden, die als Modell für kosmologische Raumzeiten eine ihnen notwendig innewohnende Asymmetrie besitzen – ganz unabhängig zunächst von jeder physikalischen Anwendung. Das lässt sich streng mathematisch beweisen. Diese Klasse wäre also quasi aus geometrischen Gründen der ideale Startblock für einen Superzeitpfeil, und sie hat eine ringförmige Gestalt.
Noch ist unklar, was dieses Ergebnis bedeutet und ob es wirklich als Grundlage für eine Welterklärung dienen kann. Interessanterweise wurde eine Torus-Topologie, die ringförmige Gestalt der Raumzeit, auch schon bemüht, um gewisse Probleme im Szenario der Kosmischen Inflation zu lösen. Und wenn der Torus nur groß genug ist, bleibt seine Struktur den astronomischen Beobachtungen sowieso wohl für immer unzugänglich. Dagegen spricht auch nicht die Flachheit des Weltraums – der könnte ja ein Miniaturausschnitt des Torus sein ähnlich einem winzigen Teil der Profilnoppe eines Autoreifens, von der aus für ein hypothetisches Kleinstlebewesen die Ringstruktur des Reifens ebenfalls nicht erfassbar wäre.
Man kann sogar darüber spekulieren, ob Hawkings Keine-Grenzen-Bedingung sich mit einer Torus-Topologie vereinbaren lässt – und sei es nur, dass sich aus dem Urring Universen abnabeln könnten, die der Keine-Grenzen-Bedingung genügen. Das ist momentan unklar, aber nicht ausgeschlossen, wie Brett McInnes betont. Tatsächlich haben die Kosmologen Hirosi Ooguri, Cumrun Vafa und Erik Verlinde im Jahr 2005 den Hartle-Hawking-Ansatz auf ein Modell der Stringkosmologie angewendet, das auch eine imaginäre Zeit, besitzt – und ringförmige Topologien enthält.
Ein komplexes Gebiet also ... Bis sich die verwirrende Situation klärt, wird wohl noch einige Zeit vergehen müssen. Jedenfalls ist auch Hawking überzeugt, dass das Anthropische Prinzip – oder gar eine übergeordnete Macht – nicht die Erklärung der Zeitrichtung sein kann und dass die Zeitpfeile gleichsam durch einen speziellen Anfangszustand des (oder unseres) Universums in die Zukunft abgeschossen wurden. Die Keine-Grenzen-Bedingung hätte dann, um die Metapher noch weiter zu strapazieren, womöglich auch hier den Bogen raus.
„Nicht die Expansion des Universums verursacht die Zunahme der Unordnung, sondern die Keine-Grenzen-Bedingung bewirkt, dass nur in der Ausdehnungsphase die Unordnung zunimmt und die Verhältnisse für intelligentes Leben geeignet sind“, schrieb Hawking. Das ist freilich eine missverständliche Formulierung. Denn insofern die Keine-Grenzen-Bedingung eine physikalische Beschreibung – oder Annahme – ist, kann sie nichts „bewirken“. Doch sie postuliert einen speziellen Anfangszustand, und wenn dieser wirklich war, dann ist er möglicherweise auch mit einer niedrigen Entropie einhergegangen. Das kosmische „Uhrwerk“ hätte dann nicht aufgezogen werden müssen, um mit oder in der Zeit abzulaufen, sondern es wäre (im Doppelsinn) einfach so – einfach so.
„Die Hypothese, dass das Universum keine Grenze habe, sagt die Existenz eines ausgeprägten thermodynamischen Zeitpfeils voraus, weil das Universum in einem gleichmäßigen und geordneten Zustand beginnen muss“, meint Hawking.
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