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Hawkings neues Universum

Hawkings neues Universum

Titel: Hawkings neues Universum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franckh-Kosmos-Verlags-GmbH und Co. <Stuttgart>
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Ganzes, das ja per definitionem nicht von außen gemessen werden kann. (Dieselbe Idee haben unabhängig Robert Griffiths von der Carnegie Mellon University in Pittsburgh sowie Roland Omnès von der Université de Paris-Sud in Orsay entwickelt.)
    „Das ist die einzige Formulierung der Quantentheorie heute, die logisch widerspruchsfrei ist, die mit allen bekannten Ergebnissen von Experimenten übereinstimmt, die sich mit anderen Bereichen der modernen Physik vereinbaren lässt wie der Speziellen Relativitätstheorie und den Feldtheorien, die allgemein genug ist, um in der Kosmologie Anwendung zu finden, und sich für eine Theorie der Quantengravitation generalisieren lässt“, preist Hartle die Vorzüge dieser Deutung gegenüber konkurrierenden Interpretationen.
    Ein historischer Vorläufer und die entscheidende Anregung für die Viele-Historien-Interpretation ist die Viele-Welten-Interpretation der Quantentheorie. Ausgearbeitet wurde sie bereits Mitte der 1950er-Jahre von dem Physiker Hugh Everett III in seiner Dissertation bei John Wheeler in Princeton. Auch sie kommt ohne den Kollaps der Wellenfunktion aus, hat aber – zumindest in der gängigen Version – eine viel radikalere Konsequenz: Das Universum als Ganzes ist eine Überlagerung aller Möglichkeiten. Immer, wenn sich Alternativen auftun, spaltet sich das Universum gleichsam auf – beispielsweise in einen Strang, in dem Schrödingers Katze tot ist, und in einen anderen, in dem sie weiterlebt. Obwohl die Viele-Welten-Interpretation außerordentlich bizarr – und geradezu verschwenderisch – erscheint, sympathisieren viele renommierte Physiker mit ihr, weil sie die Existenz einer beobachterunabhängigen Realität akzeptiert und so einen objektivistischen Ausweg aus dem Subjektivismus von Niels Bohr und Konsorten bietet. Und genau diesen Ausweg aus den Quantenparadoxien haben auch Hartle und Gell-Mann beschritten.
    „Unser Ansatz handelt von den Wahrscheinlichkeiten alternativer Historien des Universums. Historien sind Sequenzen von Dingen in der Zeit“, erläutert Hartle. „Es gibt jede Menge alternativer Historien, zum Beispiel alternative Bahnen der Erde um die Sonne. Sie haben verschiedene Wahrscheinlichkeiten, die die Quantenmechanik zu berechnen ermöglicht.“ Dabei wird der Quantenformalismus des Messprozesses zu einer Theorie über die Verläufe objektiver Ereignisse verändert – einschließlich derer, die wir mit Messungen verbinden. Aber eben nicht nur dieser. „Die Kopenhagen-Quantenmechanik ist im Ansatz der Konsistenten Historien enthalten – als eine Näherung für Situationen mit Messungen“, sagt Hartle. Real ist also nicht die Wellenfunktion – real sind die objektiven Geschichten mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit, ähnlich wie es Einstein vorschwebte. Allerdings ist der Zufall nicht eliminiert, den Einstein auch nicht wahrhaben wollte („Gott würfelt nicht!“), sondern steckt in der Statistik.
    Gell-Mann und Hartle unterscheiden zwischen fein- und grobkörnigen Historien. Erstere sind Beschreibungen auf Quantenniveau, für die meisten Alltagszwecke jedoch viel zu genau beziehungsweise gar nicht leistbar. Grobkörnige Historien hingegen sind Äquivalenzklassen vieler feinkörniger Geschichten. Im Allgemeinen sind bei ihnen die Interferenzen „ausgewaschen“, weil die Wechselwirkung eines Quantensystems mit der Umwelt Schrödingers Wellenfunktion – lokal – zum Kollabieren bringt. Wegen dieser sogenannten Dekohärenz sehen wir keine lebendig-toten Katzen-Gemische. „Kein wirkliches quasi-klassisches Objekt kann ein solches Verhalten zeigen, weil die Wechselwirkung mit dem übrigen Universum zur Dekohärenz der Alternativen führt“, erläutert Gell-Mann.
    „Wenn wir einen Tisch beschreiben, beziehen wir uns oft nur auf seine Ausdehnung, seine Masse und so weiter. Diese Beschreibung ist grobkörnig, weil sie nicht den Ort aller Moleküle des Tisches erfasst, sondern nur einige durchschnittliche Eigenschaften“, gibt Hartle ein Beispiel. „Alle nicht berücksichtigten Freiheitsgrade konstituieren eine Umwelt. Diese Umwelt muss nicht außerhalb liegen, sie kann auch im Inneren sein. In der Quantentheorie muss man einige Freiheitsgrade ignorieren, um Aussagen über andere zu machen. Das ist die Essenz der Dekohärenz.“
    Das wirft freilich gleich das erste Problem auf: Zwar zerstören schon die Photonen der Kosmischen Hintergrundstrahlung die verschmierten Quantenzustände rasch, wenn diese nicht beispielsweise im

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