Hawks, John Twelve - Dark River
Walnussholz.
Maya setzte sich neben das Ruder, während Mr. Regenmantel das Boot wendete und flussaufwärts steuerte. Ein heftiger Regenguss hatte die Kanalisation der Stadt geflutet und das Wasser der Themse dunkelgrün gefärbt. Wegen des dichten Nebels konnte man nicht mehr als drei Meter weit sehen, aber der Bärtige navigierte das Boot ohne sichtbare Orientierungshilfen. Er nickte, als sie in der Flussmitte an einer scheppernden Boje vorbeifuhren. »Klingt wie eine alte Kirchenglocke an einem Wintertag.«
Ringsum lagen Nebelschwaden, und in der feuchten Kälte fing Maya zu zittern an. Die kabbeligen Wellen glätteten sich, und sie passierten ein Dock mit Yachten und anderen Sportbooten. In der Ferne konnte Maya eine Autohupe hören.
»Wir sind jetzt im Limehouse Basin«, erklärte Mr. Regenmantel. »Früher hat man alles Mögliche hier angeliefert und auf Lastkähne gepackt. Eisblöcke und Nutzholz. Kohle aus Northumberland. Das Basin war das Maul von London, es hat alle Waren verschluckt und sie über die Kanäle im ganzen Körper der Stadt verteilt.«
Der Nebel lichtete sich etwas, und das Boot fuhr in den Betonkanal ein, der zur ersten Schleuse führte. Mr. Regenmantel kletterte über eine Leiter an Land, schloss die zwei Flügel der Holzschleuse hinter dem Boot und legte einen weißen Hebel um. Wasser strömte in das Becken, und das Boot wurde bis auf Kanalhöhe angehoben.
Links vom Kanal wucherte Gestrüpp und Unkraut, zur Rechten befanden sich ein Pfad aus Steinplatten und ein Backsteingebäude mit vergitterten Fenstern. Es war, als würden sie in das London einer vergangenen Ära eintreten, eine Stadt mit Pferdefuhrwerken und rußenden Schornsteinen. Sie fuhren unter einer Eisenbahnbrücke durch weiter kanalaufwärts. Das Wasser war seicht, und manchmal kratzte der Kiel über Sand und Kies. Alle zwanzig Minuten mussten sie an einer Schleuse Halt machen, um auf die nächste Kanalebene überzusetzen. Algen strichen gegen den Schiffsbug, der sich langsam vorwärtsschob.
Gegen sechs Uhr hatten sie den letzten Kanalabschnitt erreicht und näherten sich Camden Town. In dem ehemals heruntergekommenen Viertel hatten sich mittlerweile viele kleine Restaurants und Galerien angesiedelt, und es gab einen wöchentlichen Flohmarkt. Mr. Regenmantel legte am Kanalufer an und lud die Seesäcke mit den Habseligkeiten der Frauen aus. In New York hatte Vicki Kleidung für Alice gekauft und in einen pinkfarbenen Rucksack gestopft, dessen Klappe ein Einhorn zierte.
»Gehen Sie die Straße entlang und fragen Sie nach einem Afrikaner namens Winston«, sagte Mr. Regenmantel. »Er bringt Sie dahin, wohin Sie wollen.«
Maya kletterte vor Vicki und Alice den Pfad der Böschung hinauf, der zur Hauptstraße von Camden führte. Jemand hatte eine Harlequinlaute auf den Bürgersteig gemalt und daneben einen kleinen Pfeil, der nach Norden zeigte.
Sie hatten etwa hundert Meter auf dem Bürgersteig zurückgelegt, als sie an einem weißen Lieferwagen vorbeikamen, dessen Seiten mit einem verschlungenen Rautenmuster bemalt waren. Ein junger Nigerianer mit pausbäckigem Mondgesicht stieg aus und öffnete die Seitentür. »Guten Abend, meine Damen. Ich bin Winston Abosa, Ihr Führer und Chauffeur. Ich freue mich, Sie in Großbritannien willkommen heißen zu dürfen.«
Sie stiegen ein und setzten sich auf die Metallbänke, die an den Seitenwänden angeschweißt waren. Ein Gitterrost trennte den Ladebereich von den beiden Vordersitzen. Winston kurvte durch die engen Straßen von Camden. Der Lieferwagen hielt an, und plötzlich wurde die Seitentür aufgerissen. Ein großer Mann mit kahl rasiertem Kopf und flacher Nase streckte den Kopf herein.
Linden.
Der französische Harlequin trug einen langen schwarzen Mantel und dunkle Kleidung. Über seiner Schulter hing der Schwertköcher. Linden hatte Maya immer an einen Fremdenlegionär erinnert, der sich nichts und niemandem verbunden fühlt außer seinen Kameraden und dem Kampf.
»Bonsoir, Maya. Du lebst noch.« Er lächelte, als käme ihr fortdauerndes Überleben einem subtilen Witz gleich. »Es ist mir ein Vergnügen, dich wiederzusehen.«
»Hast du Gabriel gefunden?«
»Bis jetzt noch nicht. Aber ebenso wenig glaube ich, dass die Tabula ihn gefunden haben.« Linden setzte sich direkt hinter dem Fahrer auf die Bank und steckte ihm durch den Gitterrost einen Zettel zu. »Guten Abend, Mr. Abosa. Bringen Sie uns bitte zu dieser Adresse.«
Winston bog wieder auf die Straße ein und fuhr
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