Hawks, John Twelve - Dark River
Männer Gabriels Foto dabeihatten. Vermutlich hatten sie den Auftrag, jeden umzubringen, der sich in dem Zimmer befand. Bis zu diesem Moment hatte Hollis immer öfter geglaubt, er könne sich so verhalten wie Maya und die anderen Harlequins. Aber er war nicht wie sie. Keiner der Harlequins hätte sich Sorgen um Ricky und die junge Frau gemacht, aber Hollis konnte nicht einfach dastehen und zusehen. Verdammt , dachte er. Wenn diese beiden Schwachköpfe sterben, klebt ihr Blut an meinen Händen.
Mit einem höflichen Lächeln im Gesicht näherte er sich dem kleineren der beiden Männer. »Verzeihung, Sir. Das Privatzimmer ist besetzt.«
»Klar, ein Freund von uns ist drin. Also mach, dass du wegkommst.«
Hollis hob die Arme, als wollte er den Eindringling umarmen. Dann ballte er die Hände zu Fäusten und stieß sie zusammen, sodass sie von beiden Seiten an den Kopf des Gegners krachten. Die Wucht des Schlags brachte den Mann ins Taumeln, und er kippte um. Die zuckenden Lichter und die laute Musik waren so überwältigend, dass niemand die Aktion bemerkt hatte. Hollis stieg über den zusammengesackten Körper.
Der große Söldner hatte eine Hand auf den Türknauf gelegt, aber er reagierte sofort, als er Hollis entdeckte. Hollis wusste, dass ein Mann, der ein Messer in der Hand hält, sich zu sehr auf seine Waffe konzentriert; Mordlust und Bosheit verdichteten sich in der Spitze der Klinge.
Er streckte einen Arm aus, als wollte er die Hand des Söldners packen, und riss ihn wieder zurück, als der andere mit dem Messer in die Luft stieß. Hollis trat dem Mann mit der Fußspitze in den Bauch. Als der Söldner sich krümmte und nach Luft schnappte, verpasste Hollis ihm mit aller Kraft einen Haken, sodass der Mann über das Geländer flog.
Unten fingen die Leute an zu kreischen, aber die Musik spielte weiter. Hollis jagte die Treppe hinunter und zwängte sich zwischen den Tischen durch. Am Fuß der Hintertreppe erspähte er drei weitere Männer, die sich einen Weg durch die Menge bahnten. Einer von ihnen war schon ein bisschen älter und trug eine Nickelbrille. War das Nathan Boone – der Mann, der Mayas Vater ermordet hatte? Maya hätte sofort angegriffen, aber Hollis zog sich weiter zurück.
Die Menge wogte hin und her wie eine Tierherde, die der Geruch des Todes in Panik versetzt hat. Hollis betrat die Tanzfläche und schubste die Leute beiseite. Er erreichte den Flur, der zu den Toiletten und in die Küche führte. Eine Gruppe junger Frauen stand dort albernd herum, und ihre Schminkspiegel reflektierten das Licht. Hollis drückte sich an ihnen vorbei und stieß die Notausgangstür auf.
In der Gasse hinter dem Club waren zwei Söldner mit Headsets postiert. Jemand hatte sie über Hollis informiert, und nun warteten sie auf ihn. Der ältere Mann hob eine Sprühflasche hoch und spritzte Hollis eine Chemikalie in die Augen.
Der Schmerz war unglaublich. Hollis glaubte, seine Augen würden verbrennen. Er konnte nichts erkennen und konnte sich nicht verteidigen, als eine fremde Faust seine Nase zertrümmerte. Wie ein Ertrinkender klammerte er sich an den Angreifer und bewegte den Oberkörper ruckartig nach vorn, um dem Söldner einen Kopfstoß ins Gesicht zu verpassen.
Der Mann stürzte aufs Pflaster, aber der zweite hatte seinen Arm um Hollis’ Hals gelegt und begann, ihn zu würgen. Hollis biss dem Mann in die Hand. Als er einen Schrei hörte, packte er den Arm des Söldners, drückte ihn nach unten und verdrehte ihn, bis es knackte.
Blind. Er war blind. Er tastete sich an der rauen Ziegelmauer entlang und stolperte durch seine eigene Dunkelheit.
NEUNZEHN
G egen zehn Uhr morgens erreichten Maya und die anderen die Stadt Limerick. Gabriel fuhr langsam durch die Geschäftsstraßen, immer bemüht, nicht gegen die Verkehrsregeln zu verstoßen. Seine Vorsicht schwand, sobald sie wieder auf der Landstraße waren, wo er sofort das Gaspedal durchtrat. Das kleine blaue Auto schoss entlang der zweispurigen Straße Richtung Westküste und auf die Insel Skellig Columba zu.
Normalerweise hätte Maya auf dem Beifahrersitz gesessen, damit sie die Straße im Blick haben und Probleme voraussehen konnte. Sie wollte aber nicht, dass Gabriel sie beobachtete und ihre Gesichtsausdrücke interpretierte. Während ihres kurzen Versuchs, in London ein gewöhnliches Leben zu führen, hatten ihre Kolleginnen im Büro sich stets über ihre Freunde beschwert, die anscheinend nie in der Lage gewesen waren, ihre Stimmungen zu erkennen.
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