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Hawks, John Twelve - Dark River

Hawks, John Twelve - Dark River

Titel: Hawks, John Twelve - Dark River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Duell der Traveler
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seines Vaters denken und an das weiße Musselintuch, das ihn an Spinnweben über einem alten Grab erinnerte. Warum blieb sein Vater in einer anderen Sphäre? Er hatte keine Antwort auf diese Frage, aber plötzlich fielen ihm Mother Blessings Worte über den Grund wieder ein, der seinen Vater überhaupt auf diese Insel gebracht hatte.
    »Entschuldigen Sie«, sagte Gabriel, »ich würde gern verstehen, warum mein Vater sich entschlossen hat, die Insel zu besuchen. Mother Blessing erwähnte eine Handschrift von Sankt Columban.«
    »Die Handschrift befindet sich in der Kapelle«, sagte Schwester Ruth. »Früher wurde sie in Schottland aufbewahrt, aber vor etwa fünfzig Jahren wurde sie auf die Insel gebracht.«
    »Worüber hat Columban geschrieben?«
    »Es ist die Geschichte seines Glaubens, ein Glaubensbekenntnis. Der Heilige beschreibt darin in allen Einzelheiten seine Reise in die Hölle.«
    »Die erste Sphäre.«
    »Wir glauben nicht an Ihre speziellen Einteilungen, und wir sind ganz bestimmt nicht der Überzeugung, Jesus wäre ein Traveler gewesen.«
    »Er ist Gottes Sohn«, fügte Schwester Joan hinzu.
    Schwester Ruth nickte. »Christus wurde vom Heiligen Geist gezeugt und von der Jungfrau Maria geboren. Er wurde gekreuzigt, er starb und wurde begraben, und dann ist er von den Toten auferstanden.« Sie sah die anderen Nonnen an. »All das bildet die Grundlage unseres christlichen Glaubens. Unserer Ansicht nach widerspricht das aber nicht der Vorstellung, dass es Gott gefallen hat, bestimmte Menschen als Traveler zu erschaffen, und dass diese Traveler zu Visionären und Propheten werden – oder zu Heiligen.«
    »Dann war Columban ein Traveler?«
    »Ich kenne die Antwort auf diese Frage nicht. Aber seine Seele hat einen Ort der Verdammnis besucht, und dann ist er zurückgekehrt und hat darüber geschrieben. Ihr Vater hat viel Zeit mit der Übersetzung der Handschrift verbracht. Wenn er sich nicht in der Kapelle aufhielt …«
    »… ist er auf der ganzen Insel spazieren gegangen«, ergänzte Schwester Faustina mit schwerem polnischem Akzent. »Er kletterte auf den Gipfel, um aufs Meer zu schauen.«
    »Darf ich in die Kapelle?«, fragte Gabriel. »Ich würde mir gern die Handschrift ansehen.«
    »Es gibt hier keinen Strom«, sagte Schwester Ruth. »Sie müssten Kerzen mitnehmen.«
    »Ich möchte nur wissen, was mein Vater gelesen hat.«
    Die vier Nonnen tauschten Blicke aus und kamen offenbar zu einer gemeinsamen Entscheidung. Schwester Maura stand auf und ging zu einer Kommode. »Auf dem Altar stehen genug Kerzen, aber Sie müssen Streichhölzer mitnehmen. Halten Sie die Tür geschlossen, sonst bläst der Wind die Flammen aus.«
    Gabriel zog den Reißverschluss seiner Jacke wieder zu und verließ die Küchenhütte. Einzige Lichtquelle waren die Sterne und der Dreiviertelmond. Nachts sahen die vier Bienenstöcke und die Kapelle aus wie dunkle Berge aus Erde und Steinen, wie Grabhügel für Könige der Bronzezeit. Darum bemüht, auf dem dunklen Pfad nicht zu stolpern, schlich Gabriel am Schlafsaal der Nonnen und an der Heiligenkammer vorbei, in der Mother Blessing wohnte. Aus einem der oberen Fenster der Hütte drang bläuliches Licht, und Gabriel fragte sich, ob der irische Harlequin vor einem Computer mit angeschlossenem Satellitentelefon saß.
    Er stieg die Stufen zur untersten Terrasse hinunter und öffnete die Kapellentür. Er konnte kaum etwas erkennen, bevor er drei Bienenwachskerzen angezündet hatte, die mit dunkelgelber Flamme brannten.
    Der Altar war eine rechteckige Kiste, nicht größer als eine niedrige Kommode. Auf der Oberseite war ein großes Holzkreuz angebracht, der Rest der Kiste war mit geschnitzten Meerjungfrauen, Seeungeheuern und einer Männergestalt verziert, aus deren Mund Efeu wuchs. Gabriel kniete sich vor den Altar und entdeckte einen Spalt im Holz, der eine Schublade anzudeuten schien, aber er konnte weder einen Griff noch einen Riegel erkennen. Er zog und drückte an allen Figuren, aber keine der heidnischen Schnitzereien öffnete die Lade. Er wollte schon aufgeben und zur Küche zurücklaufen, um sich den Mechanismus erklären zu lassen, als er bemerkte, dass das Holzkreuz sich um ein paar Zentimeter verschieben ließ. Im selben Moment war ein Klicken zu hören, und die Schublade glitt heraus.
    Darin befanden sich ein großer, in schwarzen Stoff eingewickelter Gegenstand, ein kleines Notizbuch mit Pappdeckel und zwei Bücher. Gabriel hob den Stoff an und entdeckte eine Handschrift aus

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