Hazienda der Traeume - Julia Saisonband Bd 66
mich nicht gebeten, seine Frau zu werden, dachte Julie.
Über all diese Dinge dachte sie nach, während sie sich schlaflos im Bett wälzte. Erst im Morgengrauen schlief sie ein.
Als sie um neun Uhr wieder erwachte, blieb sie noch etwas länger im Bett liegen. Nachdenklich blinzelte sie in die Sonne und betrachtete die violetten Blüten der Bougainvillea, die vor ihrem Fenster blühte. Auf der Terrasse tirilierte ein Vogel so bezaubernd und melodisch, dass ihr warm ums Herz wurde.
Es ist schön hier, dachte sie, korrigierte diese Feststellung jedoch sofort: Es könnte schön sein.
Wenn ich hier zu Hause wäre, würde ich mehr Licht und Farbe in die Hazienda bringen, überlegte sie. Ich würde den Garten mit Rosen und anderen Blumen bepflanzen. Und die düsteren Gänge müssten mit Grünpflanzen und fröhlichen Bildern belebt werden.
Schließlich stand sie auf, duschte, zog sich an und verließ eilig das Zimmer.
Rafael saß allein im Esszimmer. Einen Moment lang betrachtete sie ihn von der Tür aus. Sogar in Jeans und weißem Baumwollhemd mit aufgekrempelten Ärmeln wirkte er wie ein Edelmann. Er hatte eine wahrhaft aristokratische Ausstrahlung. Andere Männer konnten sich nicht mit ihm vergleichen.
Hätte er vor zweihundert Jahren in Spanien gelebt, wäre er vermutlich ein Grande gewesen. Oder ein Hohepriester, der seine Feinde in den Tod schickte. In Mexiko hätte er in früherer Zeit als Aztekenkönig gelebt haben können. Bei dieser Vorstellung lief Julie ein kalter Schauer über den Rücken. Ein Aztekenkönig forderte Opfer. Dem Opfer wurde das Herz bei lebendigem Leib herausgeschnitten.
Rafael streute Zucker in seinen Milchkaffee und rührte geistesabwesend in der Tasse. Unter seinen Augen lagen Schatten. Offensichtlich hatte auch er eine schlaflose Nacht hinter sich.
„Guten Morgen, Rafael“, sagte Julie und ging zu ihm.
Er sah auf. In seinem Blick lag Verletzlichkeit. Rafael blinzelte und erhob sich höflich.
„Guten Morgen. Du kommst spät. Ist alles in Ordnung?“
„Ja, mir geht es gut. Entschuldige, dass ich verschlafen habe. Es hat Stunden gedauert, bevor ich überhaupt Schlaf gefunden habe.“
Er rückte ihr den Stuhl zurecht. „Das ist meine Schuld. Ich fürchte, ich habe dich gestern mit meiner Bitte überfallen.“
Julie setzte sich lächelnd. „Darf ich eine Tasse Kaffee haben?“
„Natürlich.“ Er schenkte ihr ein. „Die Eier sind kalt. Ich sage der Köchin Bescheid, dass sie etwas anderes zubereiten soll.“
Rafael griff nach der silbernen Glocke neben seinem Teller, doch bevor er sie läuten konnte, griff Julie ein. „Das hat Zeit“, sagte sie.
Er hielt inne und straffte sich, als bereite er sich auf eine schlechte Nachricht vor. So unsicher erlebte Julie ihn zum ersten Mal.
„Wegen gestern Abend, Rafael …“
Er umklammerte seine Tasse mit beiden Händen, als müsste er Halt suchen.
„Ja“, sagte Julie.
„Ja?“, wiederholte er verwirrt.
„Ja, Rafael, ich möchte dich heiraten.“
Er lächelte nicht. Er wagte auch kaum zu atmen. Nach kurzem Schweigen sagte er nur: „Das freut mich, Julie.“
Sie wartete auf einen Kuss, eine Umarmung, einen zärtlichen Blick, mit dem er ihr sagte, wie glücklich ihn ihr Jawort machte. Doch nichts von alledem. Nur ein Satz: „Ich möchte, dass wir so schnell wie möglich heiraten.“
„Warum?“, fragte sie verwirrt.
„Wir haben eine Entscheidung getroffen und ich möchte sie nicht auf die lange Bank schieben“, sagte er kühl. Er hatte Angst, sie könnte sich ihr Jawort noch einmal überlegen, wenn die Hochzeit nicht schnell realisiert würde. Doch er wagte nicht, diese Befürchtung auszusprechen.
„Wie schnell?“, wollte sie wissen.
„Der Papierkram müsste eigentlich innerhalb einer Woche erledigt sein. Dann lassen wir uns standesamtlich trauen, das ist hier so vorgeschrieben. Anschließend können wir auch kirchlich heiraten, wenn du möchtest.“
„Ja, ich würde gern in der Kirche getraut.“ Sie trank einen Schluck Kaffee und wunderte sich, wie ruhig sie blieb, obwohl sie tief enttäuscht war. Sie hatte sich von Rafael wenigstens etwas Gefühl erhofft. Doch er behandelte die bevorstehende Hochzeit rein geschäftsmäßig.
„Wahrscheinlich möchtest du deine Familie dabeihaben.“
„Das ist alles sehr kurzfristig. Meine Schwester Pam ist hochschwanger. Meine Mutter möchte vermutlich lieber in ihrer Nähe bleiben. Aber ich frage sie, ob sie kommen können.“ Julie trank noch einen Schluck Kaffee.
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