Head Shot: Thriller (Knaur TB) (German Edition)
verriegelt. Ich weiß nicht, was ich machen soll.«
»Fahr los. Sofort.«
Ich hörte den leisen Klang des anspringenden Motors. Dann war sie wieder in der Leitung.
»Er hat nach dir gefragt. Er hat dich den Typ genannt, der nach Bela Chalupnik sucht. Ich hab ihm deinen Namen gesagt. Ich habe gedacht, das macht nichts, weil ich nicht glaube, dass es dein echter Name ist. Was soll das alles?«
»Es tut mir so leid«, sagte ich, schloss in der Dunkelheit die Augen und verfluchte meine Dummheit.
»Ich habe ihm dasselbe erzählt wie Ron Irving. Ich habe ihm beschrieben, wie du aussiehst. Ich habe gesagt, ich hätte dich seit dem Abend nicht mehr gesehen, aber du hättest versprochen, dich irgendwann mal bei mir zu melden, weil ich dachte, dann bringt er mich nicht um. Scheint, als hätte ich recht behalten.«
»Du hast ihn aber nicht gesehen?«
»Er hat mir befohlen, mich nach vorn aufs Armaturenbrett zu beugen. Und er hat gesagt, er würde mich erschießen, wenn ich versuche hochzusehen. Dann ist er verschwunden. Was mache ich jetzt?«
In meinem Kopf spulte ein kleiner Film im Schnelldurchlauf ab.
»Fahr nach Hause, pack die wichtigsten Sachen in einen Koffer, aber nicht mehr, als du tragen kannst. Laptop, Medikamente, Schmuck, Pass. Einen Satz Kleidung zum Wechseln. Dann fährst du nach New Haven und parkst am Bahnhof. Sobald ich den Schlüssel habe, sorge ich dafür, dass der Wagen abgeschleppt und untergestellt wird. Nimm den Zug nach Hartford und geh in dieses Hotel.« Ich nannte ihr den Namen und beschrieb den Weg vom Bahnhof. »Dort fährst du mit dem Aufzug in den fünften Stock. Ich werde da sein, und dann machen wir zusammen weiter.«
»Ich habe Angst.«
»Das ist alles meine Schuld. Aber ich mache es wieder gut. Im Augenblick musst du mir einfach vertrauen und genau das tun, was ich dir sage.«
»Ich vertraue dir. Auch wenn meine Mutter sagt, das sollte ich nicht.«
»Wo ist deine Mutter?«
»In Kyoto. Wir haben telefoniert.«
»Hat das Kasino ihre Adresse?«
»Nein. Ich habe ihnen gesagt, dass sie nicht in den Staaten lebt, das war alles. Ich wollte nicht, dass die ihre Privatsphäre stören, wenn sie meinen Hintergrund prüfen.«
Ich dankte Gott für diesen glücklichen Umstand in dem ganzen Desaster.
»Keine anderen Verwandten?«, fragte ich.
»Nein. Du musst mir jetzt alles sagen. Du darfst mich nicht länger anlügen.«
Mit einem eigenartigen Gefühl des Vergnügens gab ich endlich nach und mein Schweigen auf.
»Florencia.«
»Wer ist das?«
»Das war der Name meiner Frau. Ihr wirklicher Name. Der Rest muss warten. Ruf mich an, wenn du im Zug sitzt.«
Als sie aufgelegt hatte, spürte ich, wie der vertraute Zorn in mir aufstieg, ein Gefühl, das sehr effektiv die ihn begleitende nackte Angst vertrieb. Falls es irgendetwas gab, das mich zu noch größeren Anstrengungen antreiben konnte, dann vermutlich dies. Ich sagte es laut, allein in meinem Zimmer, dann begann ich mit den nötigen Vorkehrungen.
Das Hotel lag in bequemer Laufweite vom Bahnhof. Ich nahm ein Zimmer, um meine Anwesenheit zu rechtfertigen, und nutzte die Zeit, um die Anlage zu inspizieren. Wie gehofft, gab es einen Lastenaufzug, zu dem man keinen Schlüssel brauchte. Der Zugang befand sich im Lagerraum, in dem Laken, Handtücher und winzige Flaschen mit Shampoo und Körperlotion aufbewahrt wurden. Ich hatte Natsumi gebeten, mich anzurufen, sobald sie im Zug nach Norden saß, was sie auch tat.
»Glaubst du, dass dir jemand nach New Haven gefolgt ist?«, fragte ich.
»Was für eine schreckliche Vorstellung.«
»Ja, tut mir leid. Und?«
»Ich weiß es nicht. Ich bin Psychologin, keine Spionin.«
»Demnach hast du dein Examen bestanden.«
»Ja. Es fehlt nur noch die Arbeit. Ich ändere das Thema in ›Die Auswirkungen von Messerattacken auf das Nervensystem‹.«
Ihr nächster Anruf kam, als die Dämmerung über den Horizont kroch.
»Ich bin unterwegs«, sagte sie. »Den Rollkoffer in der Hand.«
»Ist dir jemand aus dem Zug gefolgt?«
»Nein. Und hör auf, solche Sachen zu sagen, das macht mir eine Scheißangst.«
»Entschuldige. Wenn du im Hotel bist, fahr rauf zu Zimmer 535 und klopf an die Tür. Ich komme raus.«
»Falls das nur ein komplizierter Versuch ist, mich zu verführen, bring ich dich um.«
»So einfallsreich bin ich nicht.«
»Vielleicht solltest du das aber tun«, sagte sie. »Könnte mir gefallen.«
»In welchem Zimmer warte ich?«
Sie nannte die Nummer, und wir legten auf.
Ich
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