Head Shot: Thriller (Knaur TB) (German Edition)

Gerrys Werkstatt und luden aus. Die Federn hielten besser durch als wir.
    »Hoffentlich hab ich mir nicht den Rücken gezerrt«, klagte Natsumi, nachdem wir das letzte Paket in dem Raum hinter Gerrys Staubsammler verfrachtet hatten. »Ich bin zu jung, um in der Gegend herumzuhumpeln.«
    »Ich humpele schon seit Monaten«, sagte ich. »Man gewöhnt sich dran.«
    »Du hast mehr geschleppt als ich, ich hab ein ganz schlechtes Gewissen.«
    »Hab ich nicht. Nur meinen Anteil. Genau wie du.«
    »Klingt nach Kollektivismus.«
    »Buddhismus.«
    Ich behielt einen der Goldbarren zurück, nach Feinunzen das schwerste und wertvollste Metall. Dann erläuterte ich Natsumi die nächste Phase des Plans. Zu ihren Gunsten muss ich sagen, dass ihre Stimme nichts von dem Schrecken verriet, der in ihren Augen zu lesen war.
    »Das klingt ein bisschen gefährlich«, sagte sie.
    »Das ist es auch, aber wirklich nur ein bisschen. Ich tue stets alles, was ich kann, um mich abzusichern. Mein Ziel ist es, weiterzukommen, nicht irgendwelche Heldentaten zu vollbringen.«
    »Ich weiß. Die Welt an sich ist gefährlich. Wo ist der Unterschied?«
    Ich erklärte ihr die vor uns liegenden Schritte, dessen erster war, via FedEx eine Nachricht an Little Boy Boyanov zu schicken:
    Mr. Boyanov,
    ich habe eine Möglichkeit, in den Besitz einer großen Menge von Kilo-Goldbarren zu gelangen, die ein Käufer mit entsprechenden Mitteln zu einem Preis von fünfundsiebzig Prozent unter dem Marktwert erwerben kann. Sie sind dieser Käufer.
    Angesichts der sensiblen Natur dieser Transaktion stelle ich unumstößliche Forderungen bezüglich des Ablaufs.
    Zum ersten Treffen gehört ein Warenmuster. Ich werde einen Kilobarren mitbringen. Sie bringen Materialien mit, um die Echtheit des Musters zu prüfen, das aus 24 -karätigem Gold besteht. Achten Sie darauf, dass Ihr Testverfahren präzise ist. Das liegt in Ihrem Interesse.
    Wir treffen uns um 22  Uhr am Donnerstagabend, den 26 . des Monats, in der Sauna des Capital City Gym an der Trumbull Street. Das Fitnesscenter schließt um 23 Uhr, weshalb die Sauna um diese Zeit fast leer ist. Bitte nur Handtücher.
    Ich werde allein kommen und fordere Sie auf, dasselbe zu tun. Ich werde eine Sporttasche mit mir führen. Ich werde Sie erkennen.
    Wenn Sie einem ersten Treffen zustimmen, rücken Sie bitte bis Mittwoch, den 25 ., den Blumentopf vor Ihrer Haustür von links nach rechts.
    Ich unterschrieb mit Auric G.
    »Du wirst praktisch nackt mit einem Bandenchef allein sein, während du ein Kilo Gold mit dir herumträgst«, fasste Natsumi die Situation zusammen.
    »Es ist schwierig, eine Waffe unter einem Handtuch zu verstecken«, sagte ich. »Außerdem macht es für ihn keinen Sinn, einen Barren zu stehlen, wenn er einen Lastwagen voll für fünfundzwanzig Cent den Dollar kaufen kann.«
    »Guter Einwand.«
     
    Little Boys Adresse in der Franklin Avenue lag ein wenig abseits meiner Tour mit dem Food Truck, aber den Umweg nahm ich in Kauf. Der Blumentopf wanderte lange vor dem Endtermin von links nach rechts, was weniger ermutigend gewesen wäre, wenn ich besser gewusst hätte, was Little Boy wirklich vorhatte.
     
    Das Capital City Gym befand sich in einem renovierten Industriegebäude am Nordrand der Grenze zwischen Hartfords innenstädtischer Ansammlung von Bürogebäuden und dem Rand des geschäftigen, wenn auch verarmten North End.
    Der Club hatte hohe Mitgliedsbeiträge und die Aura eines altmodischen Sportvereins, was bedeutete, dass die meisten Mitglieder Männer in mittleren Jahren mit einem Ring um die Hüfte waren. Ich hatte eine vierzehntägige Probemitgliedschaft in bar bezahlt und das Fitnesscenter häufig genug besucht, um einigermaßen sicher zu sein, dass die Sauna ab einundzwanzig Uhr praktisch leer war.
    Ich hatte meine Uhr im Umkleideraum gelassen, weshalb ich nicht genau wusste, wie spät es war, aber für mein Gefühl hatte ich so lange dort gesessen, dass es nach zweiundzwanzig Uhr sein musste. Ich wollte gerade gehen, als ein sehr großer Mann, begleitet von zwei unwesentlich kleineren Männern – einer davon mit eigener Sporttasche –, die Sauna betrat. Sie setzten sich mir gegenüber, und der größte der drei, Little Boy, sagte mit deutlichem Akzent: »Tut mir leid, ich habe Gesellschaft mitgebracht. Allein fühle ich mich immer so einsam.«
    Little Boys Kopf war so groß wie ein Medizinball und wirkte durch den rebellischen Schopf brauner Locken noch riesiger. Seine Wangen standen hervor wie