Head Shot: Thriller (Knaur TB) (German Edition)
Besser, man bleibt höflich und wickelt seine Geschäfte ab.«
Little Boy starrte mich an, als hätte ich ein Gedicht auf Altgriechisch rezitiert. Doch irgendwie schien der Sinn meines Vortrags durchzusickern.
»In Ordnung. Wie setzen wir uns in Verbindung? Wieder Gestrüpp durch die Gegend schieben?«
Seine Begleiter fanden das witzig, ebenso wie ich. Wir lachten. Ich gab ihm ein Wegwerfhandy, den besten Freund des Schurken.
»Rufen Sie mich damit an. Meine Nummer ist bereits gespeichert. Sie sagen mir, wie viel Sie investieren wollen, und ich bringe die entsprechende Menge Ware zum Treffpunkt. Sie bringen Bargeld und die Messverfahren, um Qualität und Quantität zu bestätigen. Das ist nicht kompliziert. Metall ist Metall. Ihre Kids können den Karatwert testen. Der Preis wird vom internationalen Markt bestimmt. Wir schauen ihn im Internet nach, und Sie zahlen ein Viertel der Summe. Und dann werden wir uns fröhlich verabschieden.«
Er war einverstanden, gab sich aber nach wie vor hartnäckig argwöhnisch. Ich war sehr zufrieden mit Little Boy, den ich für einen ganz gewöhnlichen Kriminellen gehalten hatte. Bei ihm war eine gewisse bösartige Gerissenheit und gleichzeitig Subtilität des Denkens zu erkennen. Dennoch konnte man ihn lenken und mit simplen Vorschlägen ködern.
Nachdem sie gegangen waren, blieb ich bis zur Schließung der Sauna dort sitzen, dann duschte ich und zog mich an. Ich verließ das Fitnessstudio durch den Hintereingang, der auf eine Gasse hinausging, die wiederum zu einem versteckten Parkplatz führte, wo mein Subaru stand. Die Nacht war pechschwarz, weder Fahrzeuge noch Menschen in Sicht. Falls Little Boys Leute mir folgten, waren sie die besten Beschatter der Geschichte.
Ich fuhr vom Parkplatz nach Hause. Natsumi wirkte erleichtert, als ich durch die Tür kam.
»Sehr gut, du bist nicht tot.«
»Noch nicht, obwohl die Möglichkeit erörtert wurde. Ekrem Boyanov ist ein sehr kräftiger Mann.«
»Steigt er ein?«
»Ich glaube, er ist nicht völlig überzeugt, aber nahe dran. Aber es war ein guter Anfang.«
»Ich habe Abendessen gemacht.«
»Wirklich?«
Es war ein seltsamer Augenblick für mich. Eine Person, die mit mir zusammenlebte, eine Mahlzeit zubereitete und dann mit dem Essen auf mich wartete, war ein völlig neues Konzept für mich. In meinem Leben mit Florencia hatte ich alle Mahlzeiten selbst gekocht, die vorgegebene Arbeitsteilung zwischen zwei Partnern, von denen der einer zu Hause arbeitete und der andere häufig Überstunden machte und erst nach einem ermüdenden Zehn-Stunden-Tag heimkehrte.
»Was, hätte ich das nicht tun sollen?«, fragte Natsumi.
»Nein, ich bin nur nicht daran gewöhnt. Hab wohl zu lange allein gelebt.«
»Es ist kein Bankett. Nur Hühnerpastete und Salat. Und Wein, wenigstens für mich. Du kannst Leitungswasser trinken.«
Beim Essen erzählte ich ihr mehr von meinem Treffen mit Little Boy und seinen beiden Muskelmännern.
»Wie willst du die Übergabe bewerkstelligen?«, fragte sie.
»Ich arbeite noch daran. Irgendwelche Vorschläge?«
Sie dachte nach.
»Mach es doch auf dem Parkplatz der Balkan-Bäckerei. Du hast mir gesagt, Little Boy würde in seinem eigenen Viertel keine Verbrechen begehen. Aus demselben Grund wird euch auch niemand stören oder zur Kenntnis nehmen, dass etwas vor sich geht. Das würde auch für ihn mehr Sicherheit bedeuten. Du wärst mehr als verrückt, wenn du versuchen würdest, ihn mitten im bosnischen Viertel zu bescheißen.«
»Fällt das nicht auch unter Verbrechen?«
Sie zuckte die Achseln.
»Es ist ein Geschäft. Versuch’s einfach. Hör, was er sagt.«
Die Gelegenheit dazu erhielt ich am nächsten Tag, als Little Boy mich mit dem Handy anrief, das ich ihm gegeben hatte. Er teilte mir mit, dass er in der ersten Runde 100 000 Dollar einsetzen wollte. Um das Konzept zu testen und die Abnehmer aufzubauen. Ich schlug ihm Natsumis Idee für die Übergabe vor und erklärte ihm aufrichtig die Gründe. Er überraschte mich, indem er anstandslos zustimmte.
»Klar, wir würden Sie nicht in unserem eigenen Hinterhof umbringen«, bestätigte er. »Vielleicht vertrauen wir uns ja später mehr, eh?«
Wir vereinbarten ein Treffen für dreiundzwanzig Uhr, eine Stunde nach Ladenschluss der Bäckerei. Er würde die hundert Riesen in bar, eine Waage und das Test-Set mitbringen, ich das Gold.
Bei meiner Heimkehr sagte ich Natsumi eine große Zukunft in krimineller Handelsorganisation voraus. Sie war sehr stolz auf
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