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Headhunter

Headhunter

Titel: Headhunter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbo
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war wütend und gekränkt und hätte beinahe zu weinen begonnen. Als
wir das nächste Mal miteinander schliefen, spürte ich ihre weichen Hände auf
meinen Ohren und hielt das erst für eine seltsame Liebkosung. Doch als ich
fühlte, wie sie sich wie zwei Kopfhörer auf meine Ohren pressten, erkannte
ich, welch großen Liebesdienst sie mir erwies. Der Effekt war rein akustisch
ziemlich begrenzt - ihr Schrei bohrte sich noch immer in mein Hirn -, emotional
aber von ungeheurer Tragweite. Ich bin niemand, der leicht zu Tränen gerührt
ist, aber als ich kam, schluchzte ich wie ein Kind. Vermutlich weil ich
wusste, dass niemand mich jemals so lieben würde wie diese Frau.
    Wenn
ich jetzt dasaß und Clas Greve anstarrte, wohl wissend, dass sie auch in
seiner Umarmung geschrien hatte, ging mir nur eine einzige Frage durch den
Kopf, eine Frage, die ich mit aller Macht zu verdrängen suchte, die sich aber
zwangsweise stellte: Hatte sie auch ihm die Ohren zugehalten?
    »Die
Spur führte die meiste Zeit durch dichten Dschungel und Sümpfe«, sagte Clas
Greve. »Achtstündige Tagesmärsche. Trotzdem hingen wir immer etwas hinterher,
kamen immer zu spät. Die anderen gaben einer nach dem anderen auf. Fieber, Ruhr,
Schlangenbisse oder bloße Erschöpfung. Wie gesagt, der Typ, den wir verfolgten,
war ja auch ziemlich unbedeutend. Und der Dschungel frisst einem den Verstand
weg. Ich war der Jüngste, aber trotzdem wurde zu guter Letzt mir das Kommando
übertragen. Mir und der Machete.«
    Diana
und Greve. Als ich von Clas Greves Wohnung zurückkam und den Volvo in der
Garage abstellte, hatte ich einen Moment mit dem Gedanken gespielt, alle
Fenster zu öffnen, den Motor laufen zu lassen und das Kohlendioxid oder -monoxid,
oder was auch immer sich dann bildet, einzuatmen. Es soll ein angenehmer Tod
sein.
    »Nachdem
wir seiner Spur dreiundsechzig Tage über dreihundertzwanzig Kilometer durch
das schlimmste Terrain gefolgt waren, das Sie sich vorstellen können, hatte
sich meine Mannschaft auf mich und einen Jüngling aus Groningen reduziert, der
einfach zu dumm war, um verrückt zu werden. Ich nahm Kontakt zu unserem
Hauptquartier auf und ließ einen Nietherterrier einfliegen. Kennen Sie diese
Rasse? Nicht? Das sind die besten Spürhunde der Welt. Und grenzenlos loyal,
der greift alles und jeden an, auf den Sie zeigen, ungeachtet der Größe. Ein
Freund fürs Leben. Im wahrsten Sinne des Wortes. Der Helikopter warf den Hund,
einen gerade erst einjährigen Welpen, inmitten des riesigen
Sipaliwini-Dschungels ab, in dem auch das Kokain abgeworfen wird - wie sich
herausstellte, zehn Kilometer von unserem Versteck entfernt. Ich glaubte nicht
daran, dass er uns finden könnte, ja ich war mir sogar sicher, dass er die
nächsten vierundzwanzig Stunden nicht überleben würde, aber der Hund war in
weniger als zwei Stunden bei uns.«
    Greve
lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Er hatte jetzt alles unter Kontrolle.
    »Ich
gab ihm den Namen Sidewinder. Wie die wärmesuchende Lenkwaffe, Sie wissen schon!
Ich liebte diesen Hund. Deshalb habe ich auch heute noch einen Nietherterrier,
ich habe ihn gestern aus Holland abgeholt. Es ist ein Enkel von Sidewinder.«
    Diana
hatte im Wohnzimmer gesessen und ferngesehen, als ich abends nach dem Einbruch
bei Greve nach Hause kam. Brede Sperre stand vor einem Haufen Mikrofone und gab
eine Pressekonferenz. Er redete über einen Mord. Einen aufgeklärten Mord. So,
wie er es darstellte, hatte er den Fall ganz allein gelöst. Sperres Stimme
klang rau und maskulin, wie das sphärische Rauschen eines Radios, kombiniert
mit kurzzeitigen Aussetzern, wie bei einer Schreibmaschine mit einem
abgenutzten Buchstaben, der auf dem Papier nur schwach zu lesen ist. »Der Tä-er
wird mor-en dem Haf-richter vorge-füh-t werden. Weitere Fragen?« Von seinem
Dialekt war jetzt nichts mehr zu hören, dabei hatte er laut Google acht Jahre
für Ammerud Basketball gespielt. Die Polizeischule hatte er als einer der
Jahrgangsbesten verlassen. In einem Interview mit einer Frauenzeitschrift hatte
er aus beruflichen Gründen die Frage nach seiner Partnerin offengelassen. Mit
der Begründung, eine eventuelle Lebensgefährtin könne ungewünscht ins
Rampenlicht der Medien oder der Kriminellen geraten, die er jage. Aber keines
der Pin-up-Bilder im gleichen Magazin - leicht aufgeknöpftes Hemd, halb
geschlossene Augen, angedeutetes Lächeln - deutete darauf hin, dass er eine
Lebensgefährtin hatte.
    Ich
hatte mich hinter Dianas Sessel

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