Headhunter
gestellt.
»Er
ist jetzt ins Kriminalamt gewechselt«, sagte sie. »Mord und so.«
Das
wusste ich natürlich, ich googelte Brede Sperre jede Woche, um auf dem
Laufenden zu sein. Ich musste schließlich wissen, ob er sich öffentlich über
die Jagd auf die Kunsträuberliga äußerte. Außerdem erkundigte ich mich nach
Brede Sperre, wann immer sich die Gelegenheit bot. Oslo ist nicht groß. Ich
wusste Bescheid.
»Wie
schade für dich«, sagte ich leichthin. »Dann besucht er dich ja nicht mehr in
der Galerie.«
Sie
hatte lachend zu mir aufgesehen, und ich hatte zu ihr heruntergeblickt und
gelächelt, so dass wir uns gegenseitig über Kopf betrachteten. Einen Augenblick
lang dachte ich, dass das mit Greve nie geschehen war, dass ich mir das alles
nur in den schrecklichsten Farben ausgemalt hatte. Jeder von uns stellt sich
doch mal die schlimmstmöglichen Dinge vor, nicht zuletzt um auszuprobieren, wie
es sich anfühlt und ob man damit leben könnte.
Um
sicher zu sein, dass es nur ein böser Traum gewesen war, schlug ich ihr vor,
doch im Dezember nach Tokyo zu fliegen, wie sie sich gewünscht hatte. Ich
behauptete, meine Meinung geändert zu haben, sie sah mich aber nur überrascht
an und sagte, sie könne die Galerie so kurz vor Weihnachten doch nicht
schließen, das sei doch die eigentliche Hochsaison. Außerdem fahre niemand im
Dezember nach Tokyo. Da sei es eiskalt. Ich schlug vor, stattdessen im Frühling
zu fliegen, aber sie wollte nicht so weit im Voraus planen und lieber
abwarten, wozu wir dann Lust hatten. Natürlich willigte ich ein, sagte zu allem
Ja und ging ins Bett. Ich gab vor, sehr müde zu sein.
Unten
im Kinderzimmer kniete ich vor der Mizuko-Jizo-Figur nieder. Der Altar war noch
immer unberührt. So weit im Voraus. Abwarten. Dann nahm ich das kleine, rote
Kästchen aus der Tasche, fuhr mit den Fingerkuppen über die glatte Oberfläche
und stellte es neben den kleinen steinernen Buddha, der auf unser Wasserkind
aufpasste.
»Zwei
Tage später fanden wir den Drogenhändler in einem kleinen Dorf. Er wurde von
einer blutjungen Ausländerin versteckt, die sich später als seine Geliebte
herausstellte. Das ist ganz normal, die lachen sich oft solche unschuldig aussehenden
Mädchen an, um sie später als Drogenkuriere zu benutzen. Bis die jungen Frauen
vom Zoll geschnappt werden und lebenslänglich hinter Gittern landen. Seit dem
Beginn unserer Jagd waren fünfundsechzig Tage vergangen.« Clas Greve holte
tief Luft. »Meinetwegen hätte sie ruhig noch fünfundsechzig Tage weitergehen
können.«
Schließlich
meldete sich der Informationschef zu Wort: »Und Sie haben ihn festgenommen?«
»Nicht
nur ihn. Seine Geliebte und er gaben uns genug Hinweise, um auch noch
dreiundzwanzig seiner Komplizen zu verhaften.«
»Wie
...«, begann der Vorstandsvorsitzende. »Wie verhaftet man so einen ...
Desperado?«
»In
diesem Fall war das ganz undramatisch«, sagte Clas Greve und verschränkte die
Hände hinter dem Kopf. »Die Emanzipation hat auch Suriname erreicht. Als wir
das Haus stürmten, hatte er seine Waffen abgelegt und half seiner Freundin mit
dem Fleischwolf.«
Der
Vorstandsvorsitzende brach in herzliches Gelächter aus und blickte zu seinem
Pressechef, der gehorsam, wenn auch etwas vorsichtiger, in sein Lachen
einstimmte. Der Chor wurde dreistimmig, als sich Ferdinands hohe Stimme über
die beiden anderen legte. Ich studierte die vier glänzenden Gesichter und
wünschte mir nichts mehr, als jetzt und hier eine Handgranate zu zünden.
Nachdem
Ferdinand das Gespräch beendet hatte, begleitete ich Clas Greve nach draußen,
während die anderen vor der abschließenden Besprechung eine Pause machten.
Ich
ging mit Greve zum Fahrstuhl und drückte den Knopf.
»Überzeugend«,
sagte ich, faltete die Hände vor meiner Anzughose und sah zum Fahrstuhldisplay
hoch. »Du machst die Leute glücklich mit deinen Verführungskünsten.«
»Verführung?
Na ja. Ich nehme mal an, du fasst es nicht als unredlich auf, wenn man sich
selbst bestmöglich verkauft, oder, Roger?«
Ȇberhaupt
nicht. Ich hätte es an deiner Stelle genauso gemacht.«
»Danke.
Wann machst du deinen Bericht fertig?«
»Heute
Abend.«
»Gut.«
Die
Fahrstuhltüren öffneten sich, wir gingen hinein und warteten.
»Ich
frage mich nur eines ...«, begann ich. »Dieser Typ, den ihr da verfolgt habt...«
»Ja?«
»Das
war nicht zufällig der Gleiche, der dich damals in diesem Keller gefoltert hat?«
Greve
lächelte. »Wie bist du darauf
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