Headhunter
zu
ziehen.
Lotte
hatte die Tür einen Spaltbreit geöffnet, dahinter erkannte ich ihr blasses
Gesicht.
Ich
trat ein.
»Da
bin ich wieder.«
Sie
antwortete nicht. Wie üblich.
»Wie
ist es dir ergangen?«, fragte ich.
Lotte
Madsen zuckte mit den Schultern. Sie sah genauso aus wie bei unserer ersten
Begegnung: ein verängstigter Welpe; klein und verwahrlost, mit ängstlichen,
braunen Hundeaugen. Ihre fettigen Haare hingen strähnig herab, sie stand
leicht gebeugt, und die unförmigen, farblosen Kleider erweckten den Eindruck,
als wollte sie ihren Körper eher verbergen als betonen. Wofür es keinerlei
Grund gab, denn Lotte war schlank, wohlproportioniert und hatte glatte,
perfekte Haut. So, wie sie dastand, strahlte sie eine Unterwürfigkeit aus, die
ich bei Frauen vermuten würde, die von ihren Männern geschlagen werden wollen,
die immer verlassen werden und nie bekommen, was sie verdienen. Vielleicht war
es aber gerade diese Ausstrahlung, die in mir geweckt hatte, was ich bis dahin
nicht zu besitzen geglaubt hatte: einen Beschützerinstinkt. Sah man einmal von
den geringfügigen platonischen Gefühlen ab, die der Ausgangspunkt unserer
kurzen Beziehung waren. Oder unserer Affäre. Affäre. Beziehung ist Präsens.
Affäre Vergangenheit.
Das
erste Mal habe ich Lotte Madsen auf einer von Dianas Sommervernissagen gesehen.
Lotte stand am anderen Ende des Raumes, hatte ihren Blick auf mich gerichtet
und etwas zu spät reagiert. Es schmeichelt einem immer, wenn man Frauen bei so
etwas ertappt, aber als nichts darauf hindeutete, dass ihr Blick wieder zu mir
zurückkommen würde, schlenderte ich zu dem Bild, das sie studierte, und stellte
mich selbst vor. Mehr aus Neugier natürlich, da ich Diana - in Anbetracht
meiner Natur - immer erstaunlich treu gewesen war. Böse Zungen behaupteten,
meine Treue basiere mehr auf einer Risikoanalyse als auf wahrer Liebe. Weil ich
nämlich wisse, dass Diana mit ihrer Attraktivität in einer höheren Liga spielte
und ich solche Risiken nicht eingehen durfte, es sei denn, ich wollte wieder in
meine Liga absteigen.
Mag
sein. Aber Lotte Madsen war in meiner Liga.
Ich
ordnete sie an diesem Abend gleich der Kunstszene zu: eine schräge Künstlerin
oder die Geliebte irgendeines Malers. Nur so war es zu erklären, dass sie es
mit ihrer ausgeleierten braunen Cordjeans und dem langweiligen, engen, grauen
Pullover in die Galerie geschafft hatte. Es zeigte sich dann aber, dass sie
eine Käuferin war. Nicht auf eigene Rechnung, sondern im Auftrag einer
dänischen Firma, die ihren neuen Firmensitz in Odense einrichten musste. Sie
war freie Übersetzerin für Spanisch und Norwegisch: Broschüren, Artikel,
Gebrauchsanweisungen, Filme und hin und wieder ein Fachbuch. Die Firma gehörte
zu ihren Stammkunden. Sie sprach leise und lächelte schüchtern, als verstünde
sie nicht, warum jemand mit ihr seine Zeit vergeudete. Ich war sofort von Lotte
Madsen eingenommen. Ja, ich glaube, »eingenommen« ist das richtige Wort. Sie
war süß. Und klein. 1,59 Meter,
ich brauchte nicht zu fragen, bei der Körpergröße habe ich ein gutes Augenmaß.
Als ich an diesem Abend die Galerie verließ, hatte ich ihre Mail-Adresse, damit
ich ihr die Fotos der anderen Bilder des ausstellenden Künstlers zusenden
konnte. Zu diesem Zeitpunkt glaubte ich vermutlich selbst noch daran, redliche
Absichten zu haben.
Unsere
zweite Begegnung fand im Sushi & Coffee statt, wo wir einen Kaffee tranken.
Ich hatte ihr erklärt, dass ich ihr die Bilder lieber als Ausdrucke zeigen
wollte, da die Bildschirmdarstellungen - genau wie ich - manchmal trogen.
Nachdem
ich die Bilder im Schnelldurchlauf vorgestellt hatte, erzählte ich ihr, wie
unglücklich ich in meiner Ehe war, dass ich aber nicht gehen wollte, weil ich
mich der grenzenlosen Liebe meiner Frau verpflichtet fühlte. Das ist das
älteste Klischee bei dem Spiel Verheirateter-Mann-macht-unverheiratete-Frau-an
und umgekehrt, aber ich spürte, dass sie diese Sätze noch nie gehört hatte.
Ebenso wenig wie ich, aber ich hatte wenigstens andere darüber reden hören und
glaubte an die Wirkung.
Als
sie dann etwas später auf die Uhr blickte und sagte, sie müsse gehen, fragte
ich sie, ob ich abends mal bei ihr vorbeischauen dürfe, um ihr noch einen
anderen Künstler vorzustellen, der für ihren Kunden in Odense eine deutlich
bessere Investition sei. Sie willigte zögernd ein.
Ein
paar Tage später holte ich ein paar schlechte Bilder aus der Galerie und eine
gute Flasche Rotwein aus
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