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Headhunter

Headhunter

Titel: Headhunter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbo
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dem Keller und ging zu ihr. Die Niederlage war ihr
bereits anzusehen, als sie mir an jenem warmen Sommerabend die Tür öffnete.
    Ich
erzählte ihr amüsante Losergeschichten, die mich vordergründig in ein
unglückliches Licht setzten, eigentlich aber zeigten, dass ich Selbstvertrauen
und Erfolg genug hatte, um mir diese Selbstironie leisten zu können. Sie
erzählte mir, sie sei ein Einzelkind und mit ihren Eltern durch die ganze Welt
gezogen, da ihr Vater Chefingenieur einer internationalen Gesellschaft war, die
Wasserwerke baute. Sie habe eigentlich keine richtige Heimat, Norwegen sei
ebenso gut wie jedes andere Land. Dafür, dass sie so viele Sprachen
beherrschte, redete sie wenig. Übersetzerin, dachte ich. Sie mochte die Geschichten
der anderen lieber als ihre eigenen.
    Sie
fragte mich nach meiner Frau. Sagte »deine Frau«, obwohl Dianas Name ihr
bekannt sein musste, schließlich war sie ja auf die Vernissage eingeladen
worden. So gesehen machte sie mir die Sache leichter. Und sich selbst auch.
    Ich
sagte ihr, unsere Ehe habe einen Knacks bekommen, als »meine Frau« schwanger
wurde, ich das Kind aber nicht haben wollte und sie schließlich zu einer
Abtreibung überredet hatte.
    »Hast
du das wirklich getan?«, fragte Lotte.
    »Vermutlich.«
    Ich
bemerkte, dass ihr Gesichtsausdruck sich veränderte, und sprach sie darauf an.
    »Meine
Eltern haben mich auch einmal zu einer Abtreibung überredet. Ich war damals
noch ein Teenager, und das Kind hätte keinen Vater gehabt. Aber ich hasse sie
noch heute dafür. Und mich selbst auch.«
    Ich
schluckte und versuchte zu erklären. »Unser Fötus hatte das Down-Syndrom. 85
Prozent aller Eltern, die das entdecken, entscheiden sich für eine Abtreibung.«
    Ich
bereute den Satz, kaum dass ich ihn ausgesprochen hatte. Was sollte das denn?
Sollte Lotte nach dieser Erklärung besser verstehen, warum ich mit meiner
eigenen Frau kein Kind haben wollte?
    »Deine
Frau hätte das Kind mit hoher Wahrscheinlichkeit sowieso verloren«, sagte sie.
»Das Down-Syndrom ist häufig mit einem Herzfehler gekoppelt.«
    Herzfehler,
dachte ich und dankte ihr im Stillen für die Unterstützung, denn wieder hatte
sie es mir leichtgemacht. Uns. Eine Stunde später waren wir nackt, und ich
feierte einen Sieg, der anderen vielleicht gar zu billig vorgekommen wäre, mich
aber ein paar Tage wie auf Wolken schweben ließ. Für ein paar Wochen. Genauer
gesagt dreieinhalb. Ich hatte tatsächlich eine Geliebte, die ich nach 24 Tagen wieder verließ.
    Als
ich sie jetzt betrachtete, kam mir das alles vollkommen unwirklich vor.
     
    Hamsun
hat geschrieben, dass wir Menschen die Liebe sattkriegen können. Dass wir
nicht haben wollen, was wir in zu großen Portionen serviert bekommen. Sind wir
wirklich so banal? Anscheinend. Aber nicht das hatte mich gebremst. Ich hatte
mit einem Mal ein schlechtes Gewissen. Nicht, weil ich Lottes Liebe nicht
erwidern konnte, sondern weil ich Diana wirklich liebte. Es war eine
unausweichliche Erkenntnis, die mir aber erst durch eine etwas bizarre Episode
bewusst geworden ist. Es war Spätsommer, der vierundzwanzigste Tag in Sünde,
und wir lagen in Lottes kleiner 2 -Zimmer-Wohnung
in der Eilert Sundts gate im Bett. Wir hatten den ganzen Abend geredet - oder
besser gesagt: Ich hatte geredet. Hatte versucht, ihr zu erklären, was das
Leben für mich bedeutete. Ich verstehe mich wirklich auf so etwas, ich fasziniere
in Paulo-Coelho-Manier die intellektuell eher Anspruchslosen, während ich alle
mit größeren Erwartungen verärgere. Lottes melancholische, braune Augen hingen
an meinen Lippen und schluckten jedes Wort. Ich konnte förmlich sehen, wie sie
in meine Welt aus selbst gezimmerten Gedankengängen eintrat, ihr Hirn meine
Schlussfolgerungen annahm und sie sich in meinen Geist verliebte. Ich selbst
hatte mich längst in ihre Verliebtheit verliebt, in ihre treuen Augen, ihre
stille Art und in ihr leises, kaum hörbares Liebesjammern, das sich so stark
von Dianas Kreissägengeheul unterschied. Ich war so verliebt, dass ich mich
dreieinhalb Wochen in einem Zustand konstanter Geilheit befand. Als ich mit
meinem Monolog endlich zu Ende gekommen war, sahen wir uns bloß an, ich beugte
mich vor, legte ihr meine Hand auf die Brust und spürte ihr oder mein Zittern,
und im nächsten Moment stürmten wir auch schon durch die Schlafzimmertür zu
dem 101 Zentimeter
breiten Ikea-Bett mit dem einladenden Namen Brekke. An jenem Abend war ihr Jammern
ein klein wenig lauter als sonst. Sie

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