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Headhunter

Headhunter

Titel: Headhunter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbo
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Interessen.«
    Ich
tat verblüfft. »Wollen Sie damit sagen, dass ... dass es Leute gibt, die die
Kleider von Ermordeten sammeln?«
    »Sie
würden nicht glauben, auf was für Ideen manche Menschen kommen«, antwortete
er. »Vielleicht haben Sie die Monsen-Zwillinge ja nie gesehen und kennen den
Fall nur aus den Medien. Sorry, aber so ist es nun mal.«
    »In
Ordnung, ich bin gleich wieder zurück«, sagte ich und ging zur Tür. Wo ich
stehen blieb, als wäre mir gerade etwas in den Sinn gekommen. Dann spielte ich
die letzte Karte aus. Genauer gesagt: die Kreditkarte.
    »Bevor
ich es vergesse«, sagte ich und griff in meine Gesäßtasche. »Als Eskild das
letzte Mal bei mir war, hat er seine Kreditkarte vergessen. Könnten Sie die
seiner Mutter geben, wenn sie kommt...?«
    Ich
reichte sie dem Mann, der die Karte entgegennahm und einen Blick auf den Namen
und das Bild des bärtigen jungen Mannes warf. Ich war bereits auf dem Weg durch
die Tür, ließ mir aber Zeit, und dann hörte ich endlich seine Stimme hinter
mir:
    »Das
reicht mir als Nachweis, Bratli. Hier, nehmen Sie seine Sachen mit.«
    Erleichtert
drehte ich mich um. Ich nahm die Plastiktüte aus der Hosentasche und stopfte
die Kleider hinein. .
    »Haben
Sie alles?«
    Ich
legte meine Hand auf die Tasche von Eskilds Uniformhose und spürte, dass auch
die Plastiktüte mit meinen abgeschnittenen Haaren noch da war. Ich nickte.
    Als
ich wegging, musste ich mich zwingen, nicht zu rennen. Ich war in diesem Moment
bereits wiederauferstanden, es gab mich wieder, und das ließ mich auf seltsame
Weise innerlich jubeln. Die Räder drehten sich wieder, mein Herz schlug, und
Blut und Schicksal waren in Wallung. Mit langen Schritten stieg ich die Treppe
hinauf, ging rasch an der Frau hinter der Glasscheibe vorbei und hatte bereits
meine Hand auf der Klinke, als ich eine bekannte Stimme hinter mir hörte.
    »Heh,
Sie da, warten Sie!«
    Natürlich.
Es war alles viel zu leicht gewesen.
    Langsam
drehte ich mich um. Ein Mann - auch er war mir bekannt - kam auf mich zu und
streckte mir seinen Dienstausweis entgegen. Dianas heimlicher Schwarm. Ein
ketzerischer Gedanke meldete sich in meinem Kopf: Das war's.
    »Kriminalamt«,
sagte der Mann mit tiefer Pilotenstimme. Sphärisches Rauschen mit Ansätzen von
Drop-outs. »Kann ich kurz mit Ih-en spreche-, Meister?« Wie eine Schreibmaschine
mit einem abgenutzten Buchstaben.
    Es
heißt, dass wir uns unbewusst immer ein etwas zu großes Bild von den Menschen
machen, die wir im Film oder im Fernsehen sehen. Bei Brede Sperre war dies
nicht der Fall. Er war noch größer, als ich angenommen hatte. Ich zwang mich,
stehen zu bleiben, und als er schließlich vor mir stand, überragte er mich wie
ein Turm. Von ganz oben sahen mich zwei stahlgraue Augen an. Seine Haare waren
hell und seine Frisur jugendlich und gerade so zerzaust, dass sie ihm etwas
Vertrauenswürdiges gab. Eines der Dinge, die ich über Brede Sperre gehört
hatte, war, dass er ein Verhältnis mit einem sehr bekannten und sehr männlichen
norwegischen Politiker gehabt haben soll. Aber diese Schwulen-Gerüchte waren
vermutlich nur der letzte Beweis dafür, dass auch er längst zu den Prominenten
zählte. Ja, fast ein Ritterschlag. Andererseits hatte derjenige, der mir dieses
Gerücht zugetragen hatte - ein männliches Modell von Baron von Bulldog, der
sich die Teilnahme an einer Vernissage von Diana erbettelt hatte -, mir mit
allem Nachdruck versichert, dass er sich selbst bereits von diesem
»Polizeigott«, wie er ihn voller Ehrfurcht nannte, hatte sodomisieren lassen.
    »Aber
sicher, worum geht es denn?«, sagte ich mit steifem Lächeln und hoffte, dass
mir die Penetrationsangst nicht in den Augen stand.
    »Wunderbar,
Meister. Ich habe gerade erfahren, dass sie der Vetter der Monsen-Zwillinge
sind und sie gut kennen. Könnten Sie uns, wenn es Ihnen keine Umstände macht,
vielleicht helfen, die Leichen zu identifizieren?«
    Ich
schluckte. Die Anrede »Meister« war fast schon frech, gleichzeitig drückte er
sich aber übertrieben höflich aus mit seinem »wenn es Ihnen keine Umstände macht«.
Sperres Blick blieb dabei neutral. Spielte er mit mir, oder war er immer so?
Oder war das eine Art Berufskrankheit? Ich hörte mich selbst stammelnd das Wort
»identifizieren« wiederholen, als wäre mir dieser Begriff völlig fremd.
    »Die
Mutter kommt in ein paar Stunden«, sagte Sperre. »Aber je mehr Zei- wir sparen
können ... Wir wären Ihnen sehr dankbar. Es dauert nur ein paar

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